„Die Ära ‚Deutschland AG‘, wo sie Klienten auf dem Golfplatz oder bei den Rotariern getroffen haben, ist lange vorbei.“

„Die Ära ‚Deutschland AG‘, wo sie Klienten auf dem Golfplatz oder bei den Rotariern getroffen haben, ist lange vorbei.“

26. Februar 2020

(Foto von Sugar Golf auf Unsplash)

Reicht es, als Berater auf den Golfplatz zu gehen oder ist es wichtig, bei LinkedIn eine Personal Brand aufzubauen?

Auf welchen Social-Media-Kanälen sollte man präsent sein? Wie sollte man dort agieren? Über diese Fragen spreche ich im 2. Teil meines Interviews mit Consulting.de.

CONSULTING.de: Wie wichtig ist Personal Branding für den einzelnen Consultant? Reicht es nicht aus, sein berufliches Netzwerk á la Deutschland AG zu pflegen?

Susanne Mathony: Nach meiner Erfahrung kommen sie um Personal Branding nicht herum. Wir leben im Zeitalter des human-to-human-Marketing; sprich Unternehmen kaufen letztlich keine abstrakte Marke, sondern die Menschen, die Berater, denen sie nachhaltig vertrauen. Die Ära „Deutschland AG“, wo sie Neukunden auf dem Golfplatz oder den Rotariern getroffen haben, ist lange vorbei.  

Wir leben in einer schnellen, durch Digitalisierung und Agilität geprägten Welt: Wenn sie sich hier ausklinken und auf klassische Print-Mailings ihrer Studien als einzige Beziehungspflege hoffen, verpassen sie die enorme Hebelwirkung von Social Media. Auf einer Plattform wie LinkedIn – und nur diese macht aktuell Sinn – sind sie der Kurator ihrer eigenen Geschichte und machen erlebbar, in welchem Beratungsgebiet sie ein Experte sind oder was für ein Wertekanon hinter ihnen als Mensch steht. 

Wichtig zu betonen: Hier brauchen sie den Dreiklang aus dem klassischen Corporate-Account, der sowohl von einem sehr sichtbaren CEO/Country Manager als auch den sogenannten „LinkedIn Brand Ambassadors“, also aktiven Beratern aus den einzelnen Practices und Industrien, flankiert wird. Es wäre ein Irrglaube, dass LinkedIn ein reiner Recruiting-Kanal ist. Er ist längst die weltweit wichtigste Business-Network-Plattform, auf dem auch CEOs und Vorstände agieren. 

CONSULTING.de: Welche Consultants machen aus Ihrer Sicht ein gutes Selbst-Marketing? Wen kann man sich als Inspiration anschauen?

Susanne Mathony: Sieht man sich den Social Selling Index (SSI) bei LinkedIn an, sind Unternehmensberater nicht grundsätzlich die besten „Selbst-Promoter“. Ihr individueller Score liegt aktuell im Schnitt bei 32 von 100 Punkten. Hier ist also noch viel Luft nach oben. Das ist auch der Grund, warum Beratungen aktuell so stark in Social Media-Trainings und -Tools über alle Hierarchiestufen hinweg investieren. 

Lassen Sie mich zwei Branchenfremde nennen – Oliver Bäte, CEO der Allianz und Stephan Wöllenstein, CEO VW China.

Beide erfüllen für mich die Top 5-Anforderungen:

  1. Ihr Content-Mix überzeugt; d.h. sie promoten nicht durchgehend ihre Unternehmensmarke, sondern besetzen zusätzlich Themen, die für ihr Business wichtig sind.
  2. Sie kommunizieren professionell – und wagen dennoch den Blick ins semi-persönliche.
  3. Sie beweisen auch immer wieder Haltung bzw. zeigen klare Kante. Schauen Sie sich die extrem hohen Engagement-Raten von Stephan Wöllenstein zum Corona-Virus an. Hier zeigt er, dass China nicht einfach nur der wichtigste Absatzmarkt für VW ist, sondern beweist menschliche Anteilnahme. Dies hat ihm mehr als 1.000 neue Follower pro Woche beschert. Von den Beratungen gab es dagegen bislang nur Slides mit dem Einfluss der Pandemie auf die Lieferketten in der Automobilindustrie.
  4. Beide bzw. ihre Marketingverantwortlichen haben die Macht der Bilder verstanden. Die kaufen nicht einfach nur langweilige-austauschbare Stockfotos, sondern investieren in professionelle Shootings mit Fotografen, die eine Marke und den CEO dahinter mit allen Ecken & Kanten erlebbar machen.
  5. Beide wirken authentisch.

CONSULTING.de: Welche Media-Kanäle und Gattungen sind für Consultants besonders wichtig?

Susanne Mathony: Es gibt nicht die eine Lösung für den Erfolg einer Beratungsmarke. Was alle benötigen – egal ob Hidden Champion oder Global Player – ist eine durchdachte, profunde Strategie als Grundlage der Marketing- und Kommunikationsaktivitäten. Nur mit einem sauber herausgearbeiteten USP kann eine Beratungsmarke weiterwachsen und gedeihen – und sich vom Wettbewerb differenzieren. 

Insofern kommen sie um einen guten Marketing-Mix in einer Multikanalstrategie nicht herum: Und diese umfasst klassische Pressearbeit ebenso wie Social Media-Posts oder maßgeschneiderte Events, seien es eigene oder globale Plattformen wie das World Economic Forum (WEF) in Davos. Es gibt einen guten Grund, warum alle großen Beratungen hier als Sponsoren agieren, also zwischen ein und drei Millionen Euro für die Präsenz dort investieren. Werbung, Employer Branding und gezielte CRM-Maßnahmen gehören ebenso in den Mix.