Mit Personal Branding die gläserne Decke durchbrechen

17. November 2020

Mit Personal Branding die gläserne Decke durchbrechen

Deutsche Frauen in Führungspositionen
Quelle: Kantar

Autorinnen: Melanie Arens (Kantar) & Susanne Mathony (Mathony Brand Strategists)

66 aus 100:

Bei dieser Zahl zucken Frauen mit beruflichen Aufstiegsambitionen in Deutschland massiv zusammen. Diese Zahl bringt Vorbehalte und Vorurteile gegenüber Frauen in Führungspositionen, die sie im Alltag unterschwellig oder ganz konkret erleben, auf den Punkt.

Die Zahl entstammt dem aktuellen „Reykjavik Index for Leadership“. Dieser wurde letzte Woche von den Women Political Leaders und Kantar auf dem Reykjavik Global Forum präsentiert.

Der Reykjavik Index misst von 0 bis 100, inwieweit Männer und Frauen in Bezug auf ihre Eignung für Führungspositionen als gleichwertig angesehen werden.
Der Wert von 100 bedeutet:
In der Gesellschaft besteht eine völlige Übereinstimmung darüber, dass Männer und Frauen in allen Bereichen des Wirtschaftslebens gleich gut für Führungspositionen geeignet sind.

Von der Vision einer Welt, in der ein Indexwert von 100 die Norm ist – also Männern und Frauen die gleiche Eignung für Leadership zugeschrieben wird – sind wir in Deutschland mit einer Punktzahl von 66 noch sehr weit entfernt – weiter als die anderen G7-Staaten.
Und auch die Tendenz sieht nicht besser aus. Im Vergleich zum Vorjahr fiel der Wert von 69 um drei Punkte.

Auf die niedrigsten Vorbehalte treffen Frauen im Coronajahr in Großbritannien und Kanada (jeweils 81). Überdurchschnittlich hohe Werte erreichen sonst noch die USA (76) und Frankreich (74).

Vor Deutschland rangieren mit jeweils 68 Punkten noch Italien und Japan.

reykjavik index female leader positioning

Bemerkenswert ist:

Der Durchschnittswert des Reykjavik-Index in den G7-Staaten liegt unter den Männern bei 70 und unter den Frauen bei 77.

Wie ist dieses zu lesen?

Frauen sehen in der Tendenz weniger Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Bezug auf ihre Eignung für Führungspositionen, aber auch sie sind nicht frei von Vorbehalten gegenüber dem eigenen Geschlecht.

In Deutschland ist die Diskrepanz zwischen Männer und Frauen mit 61 zu 71 sogar noch ausgeprägter.

Was zu dieser ‚Wahrnehmungs-‘ oder ‚Zuschreibungsfalle‘ erschwerend hinzukommt

In den meisten Fällen entscheiden immer noch Männer darüber, wer in eine Führungsposition gelangt. Und diese halten Frauen insbesondere in Deutschland deutlich seltener für Führungsaufgaben gleichermaßen geeignet.

Wie die jährliche Information der Bundesregierung über die Entwicklung des Frauen- und Männeranteils in Führungsebenen im Juni 2020 eindrucksvoll zeigt, fehlen z.T. weiter der Wille und/oder das Problembewusstsein, an diesen Einstellungen etwas zu ändern:

80 Prozent der Unternehmen haben keine Frau im Vorstand.

Und 55 der 160 Börsenunternehmen in DAX30, MDAX und SDAX, die noch keine Frau im Vorstand haben, formulieren ausdrücklich das Ziel »Null Frauen«.

frauenanteil null prozent

Sichtbarkeitsstrategien für Frauen, um aus der Perzeptionsfalle zu gelangen

WER NICHT REDET, WIRD NICHT GEHÖRT!“ – sagte Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt.
Ein guter Tipp – besonders für Frauen, die etwas ‚senden‘ und verändern möchten. Wenn also gehört werden und Veränderung korrelieren, ist einer der Hebel, die Frauen selbst in der Hand haben, ihre eigene Sichtbarkeit.

Wie warnte Jutta Allmendinger, Leiterin des Wissenschaftszentrums Berlin, bereits im Mai:
Frauen werden unsichtbar, werden langsam.”

Heute zeigt sich Sichtbarkeit insbesondere in den Sozialen Medien. Daher stolpert man über die Frage:

Warum nutzen die 24 DAX30-Vorständinnen diese so wenig?

Der Blick auf LinkedIn verrät eine große Lücke zu ihren männlichen Pendants:

  • Drei Vorständinnen sind erst gar nicht auf LinkedIn.
  • Eine von ihnen besitzt nur 51 Follower.
  • Neun haben weniger als 1.000 Follower.

Die Sichtbarste von ihnen ist die Spanierin Belén Garijo – ab Frühjahr 2021 die erste Alleinchefin eines Dax-Konzerns (Merck) – mit rund 33.800 Followern.
Sie riet in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ Frauen, ihre Ambitionen offen zu zeigen und etwaige Schüchternheit fallen zu lassen. „Ab und zu muss man die Hand heben und Verantwortung übernehmen, wenn man die Chance dazu bekommt„.
Besonders junge Frauen ‚würden sich häufig viel zu klein machen.‘

Addiert kommen alle 24 DAX30-Vorständinnen nur auf rd. 92.000 Follower. Damit liegen sie mit vereinter Kraft hinter dem sichtbarsten  #socialceo – Herbert Diess, VW. Er hat gut 133.000 Follower.

Natürlich haben CEOs andere Ressourcen – Herbert Diess etwa den ehemaligen BILD-Redakteur Michael Manske speziell für diese Zwecke – und gibt es interne Policies, dass primär der CEO als ‚Highländer‘ im Rampenlicht zu stehen hat.

Dennoch können alle Frauen – egal ob auf Vorstandsniveau oder in anderen Erwerbsbiographien – etwas für ihre Sichtbarkeit tun. Und sei es ‚nur‘, täglich 20 Minuten in die Erstellung und Pflege ihres professionellen LinkedIn-Auftritts zu investieren. Dabei gezielt andere Frauen zu taggen, um Reichweiten zu teilen und zu erhöhen, ist dabei das einfachste Zeichen der Kommunikationssolidarität.

Weil wir es können und weil wir es wollen

In die gleiche Richtung strebt die aktuelle branchenübergreifende Fraueninitiative #ichwill.

Das Netzwerk der Top-Frauen um Ex-Siemens-Vorständin Janina Kugel, Julia Jäkel (CEO Gruner + Jahr) und Sozialforscherin Jutta Allmendinger setzt sich für mehr Teilhabe von Frauen ein. So wird die Bundesregierung aufgefordert, einem Gesetzentwurf zuzustimmen, der u.a. verpflichtende Frauenquoten für die Vorstände von Unternehmen des Bundes vorsieht.

https://twitter.com/janinakugel/status/1316136307362537472

Der zweieinhalbminütigen Kick-off-Clip und die gesamte #IchWill-Kampagne dokumentieren:
Frauen streben Führungspositionen und Chancengleichheit in deutschen Unternehmen an.

Pressearbeit zum gezielten Eigenmarketing

Frauen, die sich in den Social Media nicht wohlfühlen, können weiterhin die klassischen Kommunikationskanäle über PR bespielen.
Schließlich nimmt in der #personalbranding-Ära die Relevanz von Personenmarken neben Unternehmensmarken immer mehr zu.

Egal ob DAX-Konzern, Mittelständler oder Professional Services-Player:
Alle wollen/müssen Themen besetzen und erstellen dazu Studien und Presse-Statements. Hier ist es nur opportun, wenn Frauen entsprechende Sichtbarkeit in den Medien anstreben – und einfordern.

Präsenz auf Panels

Auch das Thema ‚manels‘ – also Veranstaltungen mit ausschließlich männlichen Sprechern – ist wichtig. Das Problem dieser fehlenden weiblichen Expertinnen auf Podiumsdiskussionen: So haben junge Mädchen und Frauen keine Vorbilder, um verantwortungsvolle Positionen zu übernehmen. Dieses verfestigt nicht nur existierende (Chancen-)Ungleichheiten, sondern mangelt es an diversen Perspektiven im Diskurs.

So wurden erst nach dem öffentlichen Aufschrei, dass das TV-Bild der Pandemie ein primär Männliches sei, vermehrt weibliche Expertinnen eingeladen.

It takes twenty years to build a reputation and five minutes to ruin it….“ so Warren Buffet

Frauen, die vor dem Sprung ins kalte Wasser stehen, sollten ein maßgeschneidertes Medientraining machen. Die Simulation schwieriger Fragen, Manöver und möglicher Finten des Gegenübers in Interviewform hilft enorm bei der Vorbereitung. Kein Journalist sollte Frauen aus der Reserve locken können und sie zu Aussagen veranlassen, die diese so besser nie gemacht hätten.

Fazit

Wer in Gesellschaft wie Wirtschaft ‚stattfinden‘ möchte, muss an der eigenen Sichtbarkeit arbeiten. Dann wird die Überzeugung der starken Ruth Bader Ginsberg„ Cheers to the strong women, may we know them, may we raise them, may we be them!“ ein wenig mehr Realität.

Zu den Autorinnen:

Melanie Arens

Melanie Arens ist PR- und Social Media-Managerin bei Kantar und Mitglied im Social-Media-Expertenbeirat im Bundesverband der Digitalen Wirtschaft (BVDW). Sie ist seit mehr als 20 Jahren in der Markt- und Meinungsforschung tätig. Bei TNS Infratest entwickelte sie neue, integrierte Marktforschungslösungen und leitete zahlreiche internationale Projekte.
Nach ihrem Medienmanagement- und Politikstudium arbeitete sie fast ein Jahrzehnt als Politik-, Meinungs- und Sozialforscherin beim Emnid-Institut.

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