Der Online-Shop ‚De Toujours‘ setzt auf Originale und gegen Fast-Fashion
20. März 2021
Interview von Barbara Markert, Partnerin Mathony Brand Strategists, mit De-Toujours-Gründerin Isabelle Crampes
Der französische e-Shop De Toujours bietet nur Originale von Modeklassikern an und liefert damit einen etwas anderen Ansatz in Bezug auf Nachhaltigkeit.
Zu den Trendpieces des Sommers 2021 zählen Pullunder und Clocks. Der in den 70er beliebte Unisex-Leder-Pantoffel mit der Holzsohle lief bei Stella McCartney und Hermès über den Laufsteg. Den im britischen Cricket-Sport beheimatete Pullunder sah man bei Louis Vuitton, und er gehört seit einigen Saisons zur Standardausstattung der Gucci-Kollektionen. Man könnte viel Geld für diese Designer-Versionen der beiden Modeklassiker ausgeben. Aber man könnte sich auch ein richtiges Original anschaffen: Clogs aus Schweden oder einen echten Cricket-Pullunder, weiß mit den traditionellen Streifen am V-Ausschnitt, aus England.
Um genau solche Ur-Produkte, die häufig als Inspirationsquelle für aktuelle Trends fungieren, geht es beim Online-Shop De Toujours.
Der Name ist Programm: Die dort erhältlichen Sachen gab es „schon immer“. Sie sind mehr als nur Klassiker, sie sind Kult.
Kleidungsstücke jenseits von Trends und Saisons, gedacht für nicht nur eine, sondern mehrere Generationen. Gründerin dieses etwas anderen e-Shops ist Isabelle Crampes. Die 50-Jährige, ausgebildet im Finanzwesen und später als Unternehmerin lange im Musik-Event-Bereich tätig, lancierte De Toujours im Jahr 2012 – aus einer ganz persönlichen Leidenschaft für Mode heraus: „Ich ziehe mich seit meiner Jugend gerne chic an und behalte meinen Kleider sehr lange – meist bis zu ihrem natürlichen Ende. Ich brauche weder Logos, noch das aktuelle it-piece. Mit Kleidern, die eine Geschichte haben, ist man nie falsch angezogen und für jeden Anlass gewappnet.“
Die Gründung ihres eigenen Online-Geschäftes entstand auch aus einem Unbehagen über die kurzen Lebenszyklen vieler Kleider. „Es wird sehr viel Energie aufgewendet für die Produktion und für eine meist flüchtige, kurzfristige Nutzung. In unserem Sortiment sind Stücke, die sich über Jahre hinweg bewährt haben und die für den langen Gebrauch gemacht sind.“
Die Suche nach dem „echten“ Original dauert bis zu einem halben Jahr
Den Start machten ein Blaumann, ein blauer Arbeitsoverall, des französischen Berufsbekleidungs-Unternehmen Lafont, katalanische Espadrilles von La Manual aus Barcelona und Jagdtaschen von Alexandre Mareuil aus Bordeaux.
150 verschiedene Modeklassiker hat das Marseiller Unternehmen derzeit im Angebot. 600 Originale sollen es einmal werden. „Wir wachsen langsam und organisch“, erklärt Crampes. „Bevor wir etwas ins Sortiment aufnehmen, wird zuerst recherchiert, die Historie erforscht.“ Die Suche nach dem „echten“ Original kann – inzwischen unterstützt von einer ausgebildeten Historikerin – bis zu einem halben Jahr dauern. Danach folgen Kontaktaufnahme und lange Verhandlungen mit den Produzenten. „Unser Kilt liefert ein gutes Beispiel: Den kann man zwar heute überall kaufen, sogar bei den Fastfashion-Produzenten. Aber der Hersteller meines Kilts, Houston Kiltmakers, stammt aus Großbritannien und fertigt ihn seit Jahrhunderten. So ein Kilt ist teuer, aber sein Geld wert.“
Selbst wenn der perfekte Fabrikant gefunden ist, bedeutet es noch lange nicht, dass er auch gewillt ist, mit De Toujours zusammen zu arbeiten. Crampes: „Seit Jahren versuche ich mit Charvet ins Geschäft zu kommen für ein weißes Hemd mit englischen Kragen und ein Nachthemd. Der Pariser Hemdenspezialist hat sogar das englische Königshaus beliefert. Sie sind für mich die Referenz. Doch obwohl ich sie mit Anrufen bombardiere und auch schon Freunde, die den Eigentümer kennen, eingeschaltet habe. Sie tun so, als ob ich nicht existiere.“ Trotzdem will die Marseillerin nicht nach Alternativen suchen. Für sie ist es dieses Hemd oder gar nichts.
Für De Toujours muss das Original sein, das seit Jahrzehnten unverändert produziert wird.
Wie kommt es, dass in unserer schnelllebigen Zeit solche zeitlosen Stilklassiker überleben?
Isabelle Crampes hat sofort eine Antwort parat: „Diese Produzenten stehen jenseits des Modesystems. Sie beherrschen ihr Handwerk, weil sie nur das machen. Die Produkte vereinen Know-how, sind über Jahre hinweg auf ihren Gebrauch perfektioniert worden, solide, nützlich und auch mit einer bestimmten Symbolik beladen. Viele dieser Stücke wurden von Künstlern, Avantgardisten oder wichtigen Persönlichkeiten der Gesellschaft getragen. So wie der Kilt von den Beatles, der echte Harrington-Blouson von Hollywood-Star Steve McQueen, die Clogs von ABBA, die weiße Hose von Inès de la Fressange oder das Marineshirt von Picasso.“
Solche berühmten Rolemodels und einen hohe Qualitätsanspruch verbindet man normalerweise mit der Luxusindustrie. Doch Isabelle Crampes Anspruch ist, jenseits dieses prestigeträchtigen Systems zu sein. „Für mich ist Luxus nicht unbedingt mit Geld verbunden. Luxus hat auch was mit Savoir-faire, guter Verarbeitung und guten Materialien zu tun.“ Diese müssen nicht unbedingt auch „nachhaltig“ sein, gibt die 50-Jährige zu bedenken. „Ich habe zwar Pullis, deren Wolle seit Jahrhunderten auf die gleiche Weise hergestellt wird, aber ich biete auch den Ur-K-Way an. Der ist gar nicht ökologisch, aber ein Original – auf alle Fälle in der alten Oversize-Version, die heute nur noch schwer zu finden ist, weil der neue Hersteller ständig die Schnitte ändert.“
Die Letzten ihres Handwerks, die Jahrhunderte alte Techniken bewahren
Manchmal schwemmt der Mainstream einen Trend, wie derzeit das Marinehemd oder den blauen Arbeitsanzug, aus der Vergessenheit in die Läden. Dann verdienen andere mit den billiger hergestellten Varianten viel Geld, und Crampes bleibt in dieser Zeit oft auf ihren Waren sitzen. Aber sie nimmt das gelassen: „Ich biete das Qualitätsprodukt. Wenn der Trend wieder vorbei ist, sind die Sachen bei mir noch immer im Sortiment.“ Dadurch, dass De Toujours immer das Original anbietet, sind Crampes bei der Preisgestaltung auch die Hände gebunden. „Unsere Produzenten diktieren uns den Preis. Zu einem anderen, billigeren Hersteller zu wechseln, geht bei uns nicht. Es gibt immer nur ein Original und nur einen Original-Hersteller.“
Mit dieser eher trend-unabhängigen Auswahl und dem hohen Qualitätsanspruch spricht De Toujours zwei sehr unterschiedliche Kundengruppen an: „Diejenigen, die an bürgerlichen, fast schon aristokratischen Werten festhalten, und die Unangepassten, häufig politisch links Orientierten, die sich bewusst anders kleiden wollen.“ Große Nachfrage kommt auch aus dem Ausland: 70% der Umsätze des e-shops kommen aus dem Export, vor allem aus den USA, UK, Deutschland und Skandinavien. Auch ein paar Designer-Häuser schauen bei De Toujours regelmäßig vorbei und ordern: „Wir sind zwar noch nicht wirklich der breiten Masse bekannt, aber wir werden als historische Referenz angesehen. Es gibt Designer, die sich von unsere Vision der Mode inspirieren lassen.“
Bei manchen ihrer Lieferanten ist Isabelle Crampes inzwischen sogar zur Bewahrerin der Firmenhistorie geworden. „Ich erhebe dann Einspruch, wenn das Urprodukt plötzlich mit Elasthan oder einem Mischgewebe verfälscht wird und an Qualität einbüßt.“ De Toujours denkt auch über eine Stiftung nach, denn wenn einer ihrer Produzenten schließen muss, ginge eine ganze Kultur und das damit verbundene Savoir-faire verloren. „Oft sind diese Firmen die Letzten ihres Handwerks, und sie bewahren Jahrhunderte alte Techniken, die aussterben, wenn ihnen nicht geholfen wird.“
Dieser Text erschien zuerst auf The Spin Off.
Autorin: Barbara Markert
Seit rund 25 Jahren berichte ich über Mode – als Wirtschaftsjournalistin für die Publikums- und Fachpresse wie auch als Content-Creatorin für Mode- und Accessoires-Brands. In meinem Leben habe ich rund 5000 Modeschauen auf den internationalen Fashionweeks besucht. Als Wahl-Pariserin sitze ich an der Quelle der Trends und präsentiere diese Branche mit Leidenschaft und wirksamem Storytelling. – Ich weiß um die aktuellen Topthemen und Herausforderungen dieser Industrie, wie Digitalisierung, Diversity & Inclusion, Gen-Z-Ansprache oder Nachhaltigkeit. Seit Jahren setze ich mich für einen bewussteren und besseren Modekonsum ein.