Warum die Causa Lara Bothur/Deloitte solche Wellen schlägt

Die #BeraterBeraterin

Warum die Causa Lara Bothur/Deloitte solche Wellen schlägt

15. Februar 2024

Kommunikation in Zeiten von Fake News ist kein Kinderspiel.

Wohl kein anderes Thema wird seit Ende Januar unter Beratern und den Big Four so heiß diskutiert wie die Frage, ob die hauptberufliche Corporate-Influencerin Lara Bothur von Deloitte ihrem Fame auf LinkedIn nachgeholfen hat oder nicht. 

Auslöser war der Artikel „Lara Sophie Bothur: Reichweite der Corporate-Influencerin wirft Fragen auf“ von Andreas Weck auf t3n. Da Weck nicht irgendein Redakteur ist, sondern einer mit Substanz zum Thema Arbeitswelt/New Work, und t3n eine seriöse Quelle, ging der Artikel nicht unter, sondern viral. 

Worum geht es im Artikel zur hauptberuflichen Corporate Influencerin von Deloitte? 

Um die Frage, ob Lara Sophie Bothur (Deloitte) – die erste hauptberufliche deutsche Corporate Influencerin bei einer Big Four – ihre phänomenale Reichweite auf normalem Wege erzielt hat.
Oder ob sie nachgeholfen hat. Etwa durch den Kauf von Followern – sie hat aktuell 215.400 – oder den Einsatz von Engagement Pods. Und es gegebenenfalls nicht ganz lege artis zuging mit der regelmäßigen Viralität ihrer englischsprachigen Posts.  

Ihre Viralität erzielte Engagement-Raten von über 30 Prozent bzw. in einem Peak Ende November 2023 sogar knapp 60 Prozent.

Zur Einordnung:  Durchschnittliche Engagement-Raten liegen bei 3 bis 4%. 

Was sagt Deloitte zur sensationellen Sichtbarkeit von Lara Bothur auf LinkedIn?

Die Steigerung der Reichweite des LinkedIn-Accounts von Frau Bothur geht ausschließlich auf organisches Wachstum zurück“, erklärte ein Unternehmenssprecher gegenüber t3n.

Lara Sophie Bothur ist Corporate-Influencerin in Vollzeit, sodass sie ihre gesamte Arbeitskraft auf Themenrecherche, Posting-Erstellung und Community-Management konzentrieren kann. Seit dem vergangenen Herbst hat sie die Anzahl ihrer Postings von durchschnittlich drei auf fünf pro Woche erhöht sowie ihr Community-Management intensiviert“, so der Sprecher weiter.

Nach dem Wirbel um Bothur: Die Rolle von LinkedIn über Social Media hinaus

Wie jeder moderne Redakteur pushte Andreas Weck seinen Artikel auf LinkedIn.
Sein Teaser:
[…] mit Reichweitenzahlen, die Brancheninsider mit Argusaugen beobachten und die viel zu oft nicht nachvollziehbar erscheinen. In den letzten Wochen haben sich die Hinweise aus der LinkedIn-Community beim t3n Magazin gehäuft, hier genau hinzuschauen.“

Die Reaktion auf seinen LinkedIn-Post: 580 Likes, 390 Kommentare, 18 Shares. 

Weil es nicht nur in den Kommentaren hochherging, und sich Dutzende Social Media-Experten in eigenen Posts zum Vorfall äußerten, fühlte sich Weck verpflichtet, am nächsten Tag nachzulegen: 

Aber wir möchten nochmal ganz deutlich sagen, dass KEIN Betrugsvorwurf im Raum steht.
Der Betrugsbegriff setzt eine strafrechtliche Handlung voraus. Und das ist nicht der Fall. Selbst wenn sich ein aktiver Zukauf von Followern oder Engagement bestätigen würde – von innen oder von außen getätigt –, wäre das NICHT illegal. Und deshalb ist der Begriff völlig unangebracht.“ 

Die Bitte, vom Framing „Betrug“ abzusehen, kam spät. Zu spät!  

Denn seither steht die Kommentarmaschine auf LinkedIn nicht still. Und der Gossip in der Professional Services-Branche bleibt laut. Ehrlicherweise kein Wunder, wenn ein Artikel mit dem Satz endet: „Bis dahin herrschen erhebliche Zweifel.“ 

Worum es mir nicht geht, sondern stattdessen…? 

Wen die Details interessieren, dem empfehle ich zur Flankierung des t3n-Artikels Folgendes zu lesen:
LinkedIn, Deloitte & das Influencer-Desaster!“
Auf metacheles.de
geht Sascha Pallenberg, Ex-Daimler, nun Techblogger und Consultant in Taipei, in die Tiefe.

Er nennt es „Gaming the System“-Strategie:
Wer […] sich einlässt & glaubt, dass uralte „Gaming the System“-Strategien unerkannt bleiben, hat nichts begriffen. Eine Geschichte aus LinkedIns Engagement-Hölle!“

Stattdessen frage ich: Was folgt aus der Causa – sowohl für die LinkedIn-Aktivitäten einzelner Player als auch die Corporate Influencer-Programme der Big Four oder der Unternehmensberatungen? 

Meine sechs Ableitungen aus der Causa Lara Sophie Bothur/Deloitte 

1. Unschuldsvermutung: Ein Grundsatz unserer Gesellschaft! 

Digitalprofi Marcus Diekmann warnt vor „Vorverurteilung“ sowie „Rufmord“ und hält die Vorwürfe gar für „Hetze im Netz“. Damit stellt er sich schützend vor die Influencerin. Andere nutzen die Debatte zur Selbstdarstellung und vermarkten unverhohlen ihre eigenen Analysen von LinkedIn-Profilen als Dienstleistung. Wiederum andere schreien laut „Alles Fake“. Für mich gilt stattdessen die Unschuldsvermutung als grundlegendes Prinzip unseres Rechtsstaats. 

2. LinkedIn: Dennoch unverzichtbar für das moderne Business-Branding 

Auch wenn in den letzten Monaten viele LinkedIn-Nutzende darunter gelitten haben, dass der Algorithmus Nettigkeiten und Selfies belohnt: LinkedIn wird bleiben. Denn für Aufbau und Pflege von Personenmarken gibt es bislang keine Alternative. Es bleibt unverzichtbar für das moderne Business-Branding. Sich selbst aus dem Game zu nehmen und einfach nicht mehr „mitzuspielen“, ist leider keine Option. 

3. Jeder muss sein eigene Regeln – und Grenzen – auf LinkedIn definieren 

Bei LinkedIn „mitzuspielen“ bedeutet im Umkehrschluss auch: Jeder – egal ob Vorstand, trainierter Corporate Influencer oder Berufsanfänger – muss sich intensiv mit den Regeln des „Spiels“ inklusive der Besonderheiten des Algorithmus auseinandersetzen. Und: Jeder muss für sich definieren, wo seine Grenzen liegen – und das ganz klassisch entlang der Leitplanken der persönlichen Ethik und Moral. 

4. LinkedIn-Strategie: Ein Thema für die CEOs und gesamte Partnerschaft  

Die mediale Welle und der Branchengossip zeigen: Ein Netzwerk von mittlerweile einer Milliarde Mitgliedern ist alles außer einer netten Nischenveranstaltung für die Gen Z.  

Im Falle von Unternehmen sollte nicht nur isoliert das Social Media-Team, sondern direkt auf Vorstandsebene diskutiert werden:  

  • Was sind unsere Ziele? 
  • Was sind wir bereit, dafür zu „bezahlen“? 

Wenn ich eines nach zehn Jahren LinkedIn-Arbeit für Strategieberatungen und die Big Four weiß, dann: LinkedIn sollte nicht einfach „nebenbei“ an Agenturen oder isolierte Inhouse-Teams delegiert werden. Denn das verführt – im worst case – nur zu schönen, bunten KPI-Dashboards wie Follower oder Engagementrates in 60 Punktschrift.  
Aber: Follower sind für sich alleine genommen nie ein Qualitätsmerkmal. Rein quantitative Rankings sind „nice“, aber nie ausreichend strategisch und weitblickend. 

Und: Bei allem steht die Reputation des gesamten Unternehmens auf dem Spiel. Immer! 

Mehr dazu in meiner Kolumne aus dem Sommer 2020: „Warum McKinsey nichts mit den Kardashians zu tun hat – Die Herausforderungen von Influencer Marketing im B2B“.  
Im Sommer 2020 hatte ich den Trend Influencer-Marketing analysiert und gefragt: Kann es funktionieren, hochkomplexe Beratungsleistungen mittels YouTube-Videos und LinkedIn-Posts durch Top-Influencer zu vermarkten? 

5. Corporate Influencer-Programme wird es weiter geben

In meiner Kolumne „Warum jedes dritte Corporate Influencer-Programm im Consulting scheitert“ hatte ich sechs Gründe für das Scheitern von Markenbotschafter-Initiativen beschrieben und drei Erfolgshacks an die Hand gegeben.  
Der erste Tipp lautete: „Machen Sie sich ehrlich und respektieren: Markenbotschafter sein ist KEIN Hobby“. Wer das respektiert, fährt mit Corporate Influencer-Programmen weiterhin exzellent. Denn die potentiellen Downsides der „One Face to the Social Media“-Strategie kann aktuell jeder live miterleben. 

6. Das Gros der Steinewerfer sitzt selbst im Glashaus 

Aktuell werden medial verdammt viele Steine geworfen, obwohl geschätzt 80 Prozent aller Beteiligten selbst im Glashaus sitzen. Im Klartext: Ich kenne im Moment keinen Corporate Influencer oder keine relevante Personenmarke, die nicht irgendwie ihr Engagement „ankurbelt“.  

Damit meine ich nicht outgesourcte Engagement-Pods oder Click-Farmen in Indien, sondern ganz legale Haus-interne Slack-Teams oder WhatApp-Gruppen oder best buddy-Deals im Sinne „tit for tat“; sprich „Ich like Deinen Post, Du kommentierst meinen“.  

Insofern fände ich es klasse, wenn alle Aufgeregten die Kirche im Dorf lassen und still für sich selbst zugeben: Wirklich viral ist seit der Relevanz-Implosion von LinkedIn Mitte 2020 niemand gegangen, der sich nicht dieser zusätzlichen Engagement-Booster in den ersten entscheidenden 60 Minuten bis 90 Minuten bedient hätte.  

Auch keiner der nun in den Medien Zitierten… 

Fazit: Das Duell um Einfluss, Macht und Meinungsführerschaft geht weiter 

Als das ganze Spiel auf LinkedIn in Deutschland 2020 so richtig anfing, beschrieb es das Handelsblatt passend als Duell. Das Kernzitat: „Es geht um Aufmerksamkeit, Reichweite, persönliche Positionierung. Oder besser gesagt um Einfluss, Macht und Meinungsführerschaft.“ 

Und dieses Duell um Macht und Meinungsführerschaft wird heute mit härteren Bandagen gespielt als je zuvor. Wer seine strategischen Narrative in unruhigen Zeiten vermitteln will, braucht Reichweite.

Agree!  

Dennoch sollten klassische Werte wie Transparenz, Authentizität und Ehrlichkeit weiter die Leitplanke bleiben. Und das bedeutet organisches Wachstum und der Aufbau einer echte Community mit ein bisschen Geduld.


Autorin: Susanne Mathony

Susanne Mathony
Susanne Mathony

Die Positionierung von Marken und Menschen sind meine Leidenschaft. Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebe ich mit CEO-Positionierung, strategischer Marketing- und Kommunikationsberatung, PR und Business Storytelling meine Berufung aus.
Hinzugekommen ist 2014 die Social Media-Beratung. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem #SocialCEO sowie dem Personal Branding und -Positioning von Vorständen und Teams auf LinkedIn.Meine Heimat ist Professional Services. Auf GSA- und EMEA-Ebene arbeitete ich u.a. für AlixPartners, Andersen Consulting (heute Accenture), Strategy& sowie Russell Reynolds Associates.
Als Politologin und ausgebildete Journalistin startete ich meine Karriere in einem Think Tank in Washington D.C..


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