Die #BeraterBeraterin
Thought Leadership: CEOs geben Studien nur 60 Sekunden Zeit!
13. Juni 2024
Drei von vier Entscheidern beklagt: Nicht einmal jede zweite Studie liefert mir wertvolle Erkenntnisse!
Und: Jeder Dritte bewertet Thought Leadership als ‚medioker‘, ‚schlecht‘ oder sogar ‚sehr schlecht‘.
Weiter beträgt die Zeit der CEOs, um Studien zu lesen, nur eine einzige Stunde pro Woche.
Wohlgemerkt für alle 200 bis 300 Studien, die er/sie wöchentlich erhält.
Jeder, der die „B2B Thought Leadership Impact“-Studie liest, schluckt trocken.
Ich auch. Denn ich habe in den letzten zwei Jahrzehnten rund 500 Studien von Beratungen und Wirtschaftsprüfungen mitgeschrieben und anschließend in Leitmedien, bei Aufsichtsratsevents, auf dem Weltwirtschaftsgipfel oder in Webinaren lanciert.
Vier Tipps, falls Sie mich zu Ihren Studien fragen: „Was nun?“
- Mehr Mensch, weniger Marke
- Meinung sticht Zahlenwüste
- Paris Hilton statt Robert Musil
- Petit Fours statt Schwarzwälder Kirschtorte.
Ja, Studien funktionieren weiter im B2B
Starker Content ist der Backstage-Pass zur frühen (Priorisierungs)-Phase im Kaufprozess. Investments in gute Inhalte rechnen sich, denn:
48% der Entscheider haben einen Auftrag erteilt bzw. 53% das Auftragsvolumen erhöht, wenn das Thought Leadership überzeugte.
Aber: Es gibt nicht nur viel Studien. Es gibt zu viele.
In den letzten Jahren Jahr hat sich diese Form des Content verdoppelt.
Nicht verdoppelt hat sich jedoch die Kauflust der Entscheider. Nur 47% denken beim Lesen von Beraterstudien wenigstens indirekt über eine Beauftragung nach.
Daher macht es Sinn, sich zu überlegen:
- Was fliegt?
- Was fliegt eher nicht, wenn nur 15% der Vorstände Thought Leadership als ‚gut‘ bis ‚exzellent‘ bewerten?
Das Goldfisch-Dilemma: 55% der CEOs legen Studien sofort weg, wenn diese nicht in der ersten Minute ihr Interesse wecken
Unsere Aufmerksamkeitsspanne ist mit 8 Sekunden kürzer denn je.
Selbst Goldfische können sich länger auf eine Sache konzentrieren, nämlich 9 Sekunden. Gleich, ob diese Studie von Microsoft 100% stichhaltig ist, oder nicht: Consultants und ihre Marketing-Teams stehen unter Druck.
Denn: 55% der CEOs legen eine Studie sofort weg, wenn diese nicht in der ersten Minute ihr Interesse weckt.
Auch für Studien gilt: „Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck“.
Denn: 56% der Entscheidungsträger sehen sich eine einmal abgelegte Studie trotz aller guten Absichten nie mehr an.
Was lässt sich daraus für wirksame Studien ableiten?
Es gilt die Kunst des ersten Satzes. Hat die Beratung, die Wirtschaftsprüfung den Klienten direkt am Haken, liest dieser weiter. Springt der Funke nicht sofort über, ist er weg. Wie beschreibt es Jumpa Lahiri: „Der erste Satz ist ein Handschlag, vielleicht auch eine Umarmung”.
Executive Summaries oder Vorworte sind also Schicksal-entscheidend: ‚Ablage P‘ oder Weiterlesen.
Die in 80% der Fällen übliche Praxis, vorne die zehn wichtigsten Zahlen als Bullets abzubilden, springt einen Schritt zu kurz. Wer Kernergebnisse nicht interpretiert – auch wenn dafür auf einer Seite 1 wenig Platz ist – läuft Gefahr, dass der Rest der Studie nie gelesen wird. Dann waren 6- oder 7stellige Marketing-Investitionen umsonst.
Provokation und Zuspitzung statt breit und brav
Aus meiner Erfahrung geht die Schere zwischen dem, was sich Beratungen und Wirtschaftsprüfungen in Studien zu sagen ‚trauen‘, und dem, was sie sich trauen ‚dürften‘ noch zu stark auseinander.
Ein Beispiel: Für ein exklusives DAX30-Aufsichtsratsevent feilten wir tagelang an zwei – vermeintlich politisch schwierigen – Aussagen in einer Studie:
- „Deutschland fällt in der Digitalisierung massiv zurück“
- „Deutschland hat ein Problem mit zu wenig Frauen auf Vorstands- und Aufsichtsratsebene“.
Nach nur zehn Minuten im Münchner „The Charles“ waren die Header unserer Slides und die vorsichtigen Thesen komplette Makulatur. Die anwesenden Aufsichtsräte skizzierten nämlich genau das als größtes Dilemma – und das in deutlich drastischeren Worten, als wir uns dieses je gewagt hätten.
Das bestätigt auch die Studie:
- 81% der Entscheider wünschen sich provokative Ideen. Diese sollen den Status quo des eigenen Denken challengen – also: spitze Meinung sticht Zahlenwüste. Nur noch knapp jeder fünfe Entscheider mag Studien lesen, die lediglich das eigene Denken bestätigen.
- 77% der Entscheider erwarten zugespitzten Content von profunden Kennern einer Materie – eben „true experts“. Nur noch 23% liest lieber Meta-Level-Analysen aus der Adler-Perspektive.
Knapp jeder 2. CEO lehnt offensive Sales-Pitches ab
Das Schreiben guter Studien verlangt die Quadratur des Kreises: Inspiration ja, offensichtlicher Sales-Wunsch nein. 46% der CEOs bemängelt Pitches von Beratungsprodukten und zu offensichtliche Verkaufsabsichten.
Wer dennoch Thought Leadership für den Vertrieb einsetzen möchte – und das tun ehrlicherweise alle Player im Professional Services, auch wenn das Wort Vertrieb dort Haut Goût hat – der zeigt mehr Mensch und weniger Marke.
Seit der der Pandemie sind Pitches immer stärker ins Digitale abgewandert. Laut McKinsey sind mittlerweile 70% aller B2B-Entscheider offen, im Self Service-Verfahren bzw. remote Dienstleistungen bis zu 50.000 US$ einzukaufen. 27% würden das sogar im Wert von 500.000 US$ und mehr tun.
Daher sollte Thought Leadership auch den ‚cultural fit‘ vermitteln.
Auch B2B-Käufer sind letztlich ’nur‘ Menschen. Im Zweifelsfall votieren sie für die Kombination Expertise UND Persönlichkeit.
So ist es nur konsequent, dass sich 88 % der Entscheider Inhalte wünschen, die sowohl intellektuell anspruchsvoll als auch unterhaltsam sind. Gefragt ist eine Balance zwischen Autorität, Provokation, Menschlichkeit und Spaß. Wer es schafft, Paris Hiltons Forderung „Don’t be boring“ zu folgen und das Ganze ‚snackable‘ statt in der Länge eines Robert Musil-Epos zu gestalten, hat viel erreicht.
Identifizierbare Autoren und menschliche Tonalität schaffen Relevanz und Resonanz
Thought Leadership vermittelt immer dann eine Persönlichkeit, wenn auch eine herauszulesen ist. Daher wünschen sich 67% der Entscheider die Standpunkte eines identifizierbaren Autoren. Wer berührt, wer Relevanz beweist, dem gelingt auch Resonanz.
Daher wünschen sich 64% der Entscheider einen menschlichen, weniger formalen Tone of Voice. Nur 36% präferieren einen intellektuell-abstrakten Ton.
Die Relevanz der Markentonalität belegt auch meine Kolumne „Was haben ein Italien-Urlaub, der ID.3 von VW und Buyer Persona gemeinsam?“
Auf LinkedIn wurde sie Dank eines hohen Interesses bei VW zu einer meinem viralsten Kolumnen-Post mit 70.000 Views. Meine Kernthese seinerzeit: „Make your content click“ funktioniert über sauber definierte Buyer Persona und eine differenzierende Markentonalität. Niemand möchte mit einem Logo kommunizieren, sondern nur mit echten Menschen.
In zugespitzten Thesen und dem Mut zur Haltung sehe ich enormes Potential. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ghoste ich nun; d.h. schreibe für CEOs, Vorstände und Practice-Chefs Bücher, Reden, Studien bis zu LinkedIn-Posts, aber:
Freiheit zur wirklich echten Maßschneiderung im Ton habe ich bislang nur in drei von zehn Fällen.
Kein Wunder also, dass es jedem 2. Käufer von Beratungsleistungen schwerfällt, den richtigen Unternehmensberater zu finden. Es fehle eine eindeutige Differenzierung zwischen den Beratungshäusern oder diese sei nicht erkennbar.
Sieben Hacks für exzellente Berater-Studien
1. Timing – Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte
Nie war Timing entscheidender als heute, wo sich die Nachrichtenlage fast stündlich ändert. Die Zeitspanne, die es normalerweise bedarf, um von der Konzeption bis zur Veröffentlichung eine rundum überzeugende Studie zu entwickeln, ist oft zu lang. Es besteht das Risiko, dass sich die Welt schneller als antizipiert weiterdreht oder Wettbewerber die Nase vorn haben beim Launch.
„Speed to market“ gilt mehr denn je!
2. Neuigkeitswert – Hund beißt Mann ist keine News, Mann beißt Hund schon
So trivial es klingt: Ihr „hook“ muss immer neu sein! Schließlich heißt es nicht Thought Following, sondern Thought Leadership. Sicher benötigen alle Consultants einen Standpunkt zu Makrothemen wie Disruption, Nachhaltigkeit oder Digitalisierung. Aber Entscheider sind anspruchsvoll:
Ohne spezifischen Twist und ohne individuelle Erkenntnisse bleiben Studien langweiliges Grundrauschen, die ungelesen weggeklickt werden.
3. Ideen – Sie müssen Wirklichkeit werden können, sonst bleiben sie eitle Seifenblasen
Eine neue Idee ist immer etwas, das Klienten zuvor nicht wussten und sie zudem zukunftsfähiger macht. Als echter „Thought Leader“ traut man sich, der Erste zu sein und mit innovativem Content zum Nachdenken zu bewegen oder auch erkennbar machen, was Nichtstun kosten könnte. Nur mutige Ideen generieren eigenes Momentum.
Ebenso wichtig: Thema und Brand müssen zueinander passen – sonst wird es mit der Glaubwürdigkeit dünn.
4. Bold & unafraid – Aber auch emotional intelligent
Meinungsstärke ist ein Must! Niemand möchte seitenlang Szenarien lesen, die rein theoretisch eintreten könnten. 93% der Entscheider erwarten klare Zukunftsprognosen. Beratungen sollten sich trauen, auch gegen den Strich gebürstete Thesen zu formulieren. So stringent Aussagen sein müssen, so müssen sie zudem von emotionaler Intelligenz zeugen.
Dazu schreibt man nicht im luftleeren Raum, sondern spricht mit relevanten Zielgruppen und hört zu – nicht nur dem, was sie sagen, sondern auch dem, was sie nicht sagen, und ihren zugrundeliegenden Emotionen. Studien, die in Zeiten von Kriegen wie der Ukraine oder dem Gaza nicht auch Menschlichkeit zeigen, wirken wie rein opportunistisches, seelenloses Verkaufen.
5. Evidenz – Ohne Daten ist alles nichts
Die Datenbasis ist kriegsentscheidend, wenn Hypothesen überzeugend und glaubwürdig sein sollen. Nur fundierte Erkenntnisse schaffen maximale Kundenrelevanz. Das Bohren zu dünner Bretter – etwa nur zwanzig Befragte bei einem Consumer Sentiment für eine ganze Branche – verleitet die C-Suite zur ‚Ablage P‘.
Auch der Wirtschaftsteil von Handelsblatt oder FAZ oder gar Exklusivdeals mit Reichweitenbringern wie Manager Magazin Online oder WirtschaftsWoche bleiben so leider unerreichbar für Presseabteilungen und PR-Agenturen.
6. Storytelling – Starke Geschichten machen abstrakten Content greifbar
Professionelles Storytelling spricht Emotionen an, motiviert und fesselt. Diese Technik erreicht das wahre Machtzentrum der Klienten – das Unterbewusstsein. Laut Neurobiologie werden hier 95% aller Entscheidungen getroffen. Exzellente Studien liefern Insights von senioren „been-there-done-this“-Beratern und belegen das mit visuell überzeugenden Infografiken (statt Donut-Charts aus dem Standard-Template) in dynamischer Sprache.
‚Beratersprech‘ in Denglisch verführt nicht zum Lesen – Storytelling schon!
7. Activation – PDFs, die auf dem Desktop vermodern, bringen keinen Umsatz
Auch für Consultants wie WP-Gesellschaften ist ein breiter Kanalmix entscheidend, um durch Studien nachhaltige Brand Reputation aufzubauen. Starkes Thought Leadership ist zu kostbar für unpersönliche Massen-Mailings aus CRM-Hubs irgendwo im US-Headquarter.
Eine gelungene Activation nutzt den Content, um Gespräche aufzusetzen oder Beziehungen gezielt auszubauen.
Fazit: Besser Petit Fours statt Schwarzwälder Kirschtorte, um Ihre drei C’s zu erreichen
„Daumen hoch/Daumen herunter“ ist bei Vorständen brutaler denn je. Lassen Sie sich dennoch nicht entmutigen. Für 63 % der CEOs sind Studien weiter ein wichtiger Kompetenznachweis, der belegt: Eine Beratung, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft könnte theoretisch die Herausforderungen des eigenen Unternehmen verstehen oder die Probleme lösen.
Um Zugang zu Ihren Klienten zu erhalten, hilft es, UX in der Buyer Journey auch auf Studien anzuwenden. Wenn Sie zur Feder greifen, denken Sie daran: Jeder vierte CEO bezeichnet den Ton von Studien als zu behäbig und altbacken – eben unpersönlich „Corporate“.
Servieren Sie also Ihre Gedanken eher nicht als Schwarzwälder Kirschtorte in Form eines 100 Seiten-Epos. Sinken Sie nicht erschöpft zusammen, wenn Ihr Mailing via HubSpot draußen ist.
Erfolgreicher Content bedeutet heute: Community & Continuity & Conversion. Servieren Sie Ihr Thought Leadership lieber multi-channel als Petit Fours, eben snackable – und das über lange Zeit in starken Kampagnen. Dann steht Ihrem erfolgreichen Business Development nichts im Wege.
Autorin: Susanne Mathony
Die Positionierung von Marken und Menschen sind meine Leidenschaft. Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebe ich mit CEO-Positionierung, strategischer Marketing- und Kommunikationsberatung, PR und Business Storytelling meine Berufung aus.
Hinzugekommen ist 2014 die Social Media-Beratung. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem #SocialCEO sowie dem Personal Branding und -Positioning von Vorständen und Teams auf LinkedIn.Meine Heimat ist Professional Services. Auf GSA- und EMEA-Ebene arbeitete ich u.a. für AlixPartners, Andersen Consulting (heute Accenture), Strategy& sowie Russell Reynolds Associates.
Als Politologin und ausgebildete Journalistin startete ich meine Karriere in einem Think Tank in Washington D.C..