Der Highlander oder die Musketiere? Was gilt für Berater auf LinkedIn?

Die #Beraterberaterin

Der Highlander oder die Musketiere? Was gilt für Berater auf LinkedIn?

30. Juni 2020

Besser den CEO oder einzelne Berater ins Social-Media-Rampenlicht setzen? Als #BeraterBeraterin analysiere ich in meiner Kolumne auf Consulting.de die Präsenz verschiedener Berater-Chefs in LinkedIn und gebe strategische Empfehlungen zur Frage „Einzelkämpfer oder Team“.

Kann es nur einen geben?

  • Frank Riemensperger, Chairman Accenture Deutschland, hat 16.967.
  • Matthias Tauber, Deutschland-Chef von BCG, hat 4.677.
  • Walter Sinn, Deutschland-Chef von Bain, hat 727.

Wofür stehen die Zahlen? Die Follower auf LinkedIn.

Interessante Spreizung! Erst recht nach der Feststellung, dass Cornelius Baur, der McKinsey-Deutschlandchef, null vorweist. Er ist gar nicht auf LinkedIn aktiv. Dabei forderte er im Handelsblatt im März „Unternehmen sollten sich nicht einigeln“ und riet Managern zu intensiver Kommunikation.

Zu Personal Branding finden sich bei Google 328 Millionen Hits. ♯SocialCEO zeigt 916 Millionen (!) Hits – Tendenz steigend! Um beide Trends kommen Beratungsunternehmen nicht herum.

Warum?

Beratung wird immer mehr zu Commodity. Einzig eine differenzierende Marke hilft, aus der Masse herauszustechen sprich den Weg aus der Homogenität zu finden. Eine Marke definiert den Platz, den sie im Kopf der Zielgruppen einnehmen soll. Deshalb ist Unverwechselbarkeit die wichtigste Eigenschaft: Diese ist das ‚Gesicht‘, mit dem sie am Markt und von allen relevanten Stakeholdern wahrgenommen wird.

Human-to-human-Marketing positioniert Professional Services-Unternehmen nicht als abstrakte Marke, sondern die Menschen dahinter als „Berater of choice“, denen man nachhaltig vertraut.

Für die Digitalisierung gibt es kein Opt-Out; sprich: kein Consultant kann einzig auf Print-Mailings seiner Thought Leadership als Beziehungspflege und Sales-Booster bauen. Damit verpasst er die Hebelwirkung der Reichweite durch Social Media. Erst recht unter COVID19 – einer Disruption, in der Geschwindigkeit entscheidet.

Die Kardinalfrage für Marketeers im Professional Services lautet daher:

Pushen sie ihren CEO/Country Manager an der LinkedIn-Front oder einzelne Berater?

Für Ersteres stehen etwa Martin Eisenhut (Kearney) oder auch Matthias Tauber (BCG). Er punktet seit einigen Wochen immer häufiger mit Fotos aus seinem Beraterleben; etwa der erste Flug nach dem Corona-Shutdown (680 likes), das Meeting mit Janina Kugel (419 likes) oder die frisch heruntergeladene Corona-App (314 likes).

Das Buch „Lead the Future – Shape your Brand“ beschreibt diesen neuen Leader-Typus:
Sie kommunizieren nicht ihre Erfolge, sondern sind erfolgreich, weil sie kommunizieren.“ Sie bezeichnet Social Media als „persönliches Leadership-Cockpit: Hier können sie an den entscheidenden Reglern und Knöpfen drehen, die ihre Wirkung als Führungskraft bestimmen: ihre Ausstrahlung, ihre Begeisterungsfähigkeit, ihre Vertrauenswürdigkeit, ihre Lernfähigkeit und ihre Unverwechselbarkeit. Kurz: ihre Leadership Brand.

Ist diese Leadership Brand der Heilsbringer auf LinkedIn?

Für die Relevanz des ♯SocialCEO gibt es unzählige, statistisch belastbare Belege – vom Klassiker unter den Studien von WeberShandwick schon 2012 bis hin zum aktuellen Beststeller „The Social CEO: How Social Media Can Make You A Stronger Leader“ von Damian Corbet.

So spot on deren Thesen sind: CEOs mögen als zentraler Reputationsmanager entscheidend sein im Differenzierungskampf der Consulting-Brands, aber sie alleine reichen nicht aus. Egal wie überzeugend CEOs in den Social Media agieren, sie haben eine Challenge:
Sie sind nur eine einzelne Person, ein einzelnes Gesicht.

Dieses birgt drei Limitierungen:

  1. Sie sind eine Marke, und Marken lassen sich nur bedingt ‚dehnen‘ – sprich: ihr Themenmix darf nicht beliebig breit sein, sondern muss strategisch spitz sein. Er/sie kann eben nicht jede Industrie profund repräsentieren.
  2. Authentizität ist Trumpf mit der Konsequenz: Einige LinkedIn-User werden Inhalte, Stil (und Person) faszinieren, manche jedoch nicht.
  3. Zeit – So social der SocialCEO auch sein mag, mehr als 3-4 Posts pro Woche sind eben nicht drin. Auch das ist schon sehr viel, aber leider wichtig, um den gierigen Algorithmus zu füttern.

Nach mehr als zwanzig Jahren Erfahrung als BeraterBeraterin behaupte ich daher: Es bedarf des orchestrierten Dreiklangs aus:

  1. Sichtbarem CEO/Country Manager
  2. Flankierenden ‚Brand Ambassadors‘ – also aktiven Beratern aus verschiedenen Practices und Industrien
  3. Klassischem Corporate-LinkedIn-Account – quasi als line extension der Website, was eine separate Kolumne wert ist.

Deshalb bedarf es des Musketier-Prinzips „Einer für alle, alle für einen“

Um eine Beratungsmarke möglichst breit sichtbar zu machen, funktioniert das legendäre Highlander-Diktum „Es kann nur einen geben“ nicht.
Neben dem CEO bedarf es vieler aktiver Berater. Auf LinkedIn werden sie zum Kurator der eigenen Geschichte und machen erlebbar, in welchem Beratungsgebiet sie Experte sind oder welcher Wertekanon sie antreibt.
So flankieren sie ‚den einen‘ und erreichen damit zusätzliche Klienten und Prospects.

Ein exzellentes Beispiel dafür ist etwa Dr. Veit Bütterlin, Direktor bei AlixPartners mit Schwerpunkt auf Forensik und Compliance. Obwohl seine Themen für LinkedIn recht trocken wirken, besitzt der Berater bereits rund 15.000 Follower.
Der globale CEO von Roland Berger, Stefan Schaible, dagegen nur 231.
Die Erfolgsformel Bütterlins? Neben Klassikern wie Professionalität, Kontinuität und Agenda Surfing: Eigener Content in LinkedIn-Pulse Artikeln-packend geschrieben. Und das stets mit dem Spannungsbogen zur eigenen Expertise im Kontext aktueller Geschehnisse.

So generierte „The Coronavirus Pandemic and the Changing Compliance Agenda“ 54 likes und „The Financial Crime Side of the Coronavirus“ 61 likes – letzteres ein Thema, was die FAZ am Sonntag Wochen später aufgriff. Einer von vielen Belegen, wie Thought Leadership erfolgreich funktioniert.

Drei Tipps, um Berater fit als Markenbotschafter zu machen

Beratungen, die ihren Markenkern und ihre Reputation schützen wollen, besitzen allesamt eine detaillierte Social Media-Policy als Leitplanke. Darüber hinaus gibt es drei weitere Tipps aus der Praxis:

1. Empowern & motivieren

Social Media sind ur-demokratisch. Um zu den Beispielen Schaible & Bütterlin zurückzukehren: Ein Berater kann durchaus mehr Follower als ein CEO anziehen. Der LinkedIn-Algorithmus ist unbestechlich und Hierarchie-frei.

Einzig die Engagement Rate und seit Anfang Mai 2020 die Dwell-Time zählen!

Das sollten sich Beratungen zu Nutze machen: Je mehr Berater sie motivieren und empowern, zum Gesicht der Marke zu werden, umso besser. Diese Botschaft – ‚Flagge zeigen/Haltung demonstrieren erwünscht‘ – sollten CEOs glaubhaft in ihre Teams tragen – am besten schon während des Onboardings und danach kontinuierlich. Anderenfalls bleibt es ruhig an der Basis.

2. Trainieren, trainieren, trainieren

Um das Ziel der maximalen Reichweite von der Theorie in die Praxis zu übertragen, bedarf es Trainings über Hierarchie- und Generationsgrenzen hinweg. Jeder dritte LinkedIn-User fällt in die Kategorie 35 bis 54 Jahre; d.h. die Ausrede, LinkedIn sei nur etwas für Millennials und die Generation Z und falle damit unter Employer Branding der Recruiting-Abteilung, ist obsolet.

Wichtig bei solchen Trainings: Der Schwerpunkt kann nicht auf der technischen Seite liegen. Die Mechanismen von Shares, Comments & Likes oder optimalen Post-Zeiten sind schnell erklärt. Kriegsentscheidend ist die Entwicklung von passgenauen Inhalten sowie die Verknüpfung mit Sales-Strategie und Business Development.

3. Authentizität fördern

Top-Coach Stefan Wachtel fordert „die gute Mischung aus Authentizität und Rolle„. An dieser kommt auch auf LinkedIn niemand vorbei. Natürlich helfen Content Marketing-Plattformen wie Passle bei der Verbreitung, aber am Ende entscheidet der persönliche Stil – der schreibende Mensch hinter den Posts und Artikeln – über den Erfolg. Vorgefertigte Blurbs von der Marketing-Abteilung können eine Hilfe sein. Der nachhaltige Durchbruch kommt jedoch erst durch die individuelle Sicht.

Ein letzter Hinweis noch für all‘ jene, die Social Media weiter als l’art pour l’art abtun und achselzuckend darauf verweisen, dass Cornelius Baur hier ja auch nicht agiere:
Den McKinsey-Chef mag jeder kennen. Jeden einzelnen Berater oder gar jeden Hidden Champion aber leider nicht. Und wenn dann die Einkaufsabteilung der großen Konzerne vor dem Pitch die LinkedIn-Profile der antretenden Berater prüft – und das tun sie mittlerweile- aber nichts findet, ist das ein Malus. Und wer will das schon?