„Die einzige Chance, um aus der Beratermasse herauszustechen, ist eine differenzierende Marke.“
17. Februar 2020
(Foto von Santa Barbara auf Unsplash)
Wie schafft man es, als Beratung am Markt sichtbar zu sein?
Sind Studien immer noch das Mittel der Wahl, um die eigene Marke mit Kompetenz aufzuladen? Mein Interview mit CONSULTING.de.
CONSULTING.de: Welches Consulting-Unternehmen macht aus Ihrer Sicht aktuell das beste Marketing?
Susanne Mathony: Es wäre der berühmte „Apfel mit Birnen“-Vergleich, wenn sie für einen 36 Milliarden Euro-Markt mit Playern der unterschiedlichsten Größe ein Ranking erstellten. Insofern variieren hier Marketingbudgets für Deutschland zwischen einem niedrig sechsstelligen Volumen bei einer kleineren Hidden Champion-Beratung bis zu einem hohen zweistelligen Millionenbetrag bei den großen globalen Playern. Lassen Sie mich exemplarisch drei Marketing-Maßnahmen herausgreifen:
1. Da ist zum einen Employer Branding.
Auch für Beratungen gilt: Selten sind sie austauschbarer und unsicherer als in der Kommunikation mit potenziellen Mitarbeitern. Ein positives Gegenbeispiel ist nach meiner Einschätzung die aktuelle Werbekampagne der Boston Consulting Group: Hier wird das Team in den Vordergrund gestellt und das Thema Diversity & Inklusion gefeiert. Schließlich hat eine Branche, in der der Frauenanteil in der obersten Hierarchiestufe noch immer unter 15 Prozent liegt, massiven Veränderungsdruck im Kampf um die besten weiblichen Talente. Das Thema authentisch im Marketing aufzugreifen macht Sinn – wenn es denn ernst gemeint und glaubwürdig ist.
2. Dann natürlich Social Media-Marketing.
Früher genügte es, klassische Print-Medien zu bespielen – über das zahlengetriebene CEO-Interview in der FAZ oder das Beraterprofil in „Junior Consultant“. Heute müssen sie zwingend auch alle relevanten digitalen Kanäle für sich nutzen, um die unterschiedlichen Entscheider- oder Recruiting-Zielgruppen zu erreichen. Ein aktuelles Beispiel ist der Karriere-Podcast „Erlebe McKinsey“, der seit Anfang Februar live ist. Auf der entsprechenden Microsite sind nicht nur die Podcasts eingebunden, sondern wird gleich auf Instragram weitergeleitet, um Berater noch nahbarer zu machen. Ob sie mit Instagram Top-Klienten oder die Einkaufsabteilung erreichen, sei dahingestellt. Aber die Podcasts schaffen relevante Reichweite – und deren Produktion können sich auch kleinere Beratungen leisten.
3. Sowie last but not least authentische Bildwelten mit Differenzierungskraft.
Ein gelungenes Beispiel ist A.T. Kearney. Kearney hat bei seinem Brand Relaunch Anfang des Jahres verkündet, künftig komplett auf Stock-Fotografie zu verzichten und nur noch Bilder in Publikationen, auf Websites und Präsentationen zu nutzen, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgenommen wurden. Auf Getty Images zuzugreifen birgt stets die Gefahr der Austauschbarkeit. Daher kann der Aufbau einer individuellen Bildwelt aufzubauen ein wichtiger Baustein der Differenzierungsstrategie sein.
CONSULTING.de: Für diese Maßnahme kann man nur dankbar sein. Wie wichtig ist es für Beratungsunternehmen, als differenzierende Marke am Markt wahrgenommen zu werden?
Susanne Mathony: Hart formuliert: Beratung wird immer mehr zu Commodity. Die einzige Chance, um aus der Beratermasse herauszustechen, ist eine differenzierende Marke. Mit ihr definieren sie den Platz, den diese im Kopf ihrer Zielgruppen einnehmen soll. Deshalb ist Unverwechselbarkeit die wichtigste Eigenschaft: Sie ist das „Gesicht“, mit dem sie draußen am Markt und von allen relevanten Stakeholdern – von den CEOs und Aufsichtsräten über Multiplikatoren wie Journalisten bis zum Mitarbeiter – wahrgenommen werden.
Gerade bei Beratungen gilt: Einen Auftrag gewinnt man nicht in einem einzigen Tag. Besonders dann nicht, wenn langwierige und aufwendige Einkaufsprozesse zu durchlaufen sind. B2B-Beziehungen wachsen nur langsam und benötigen viel Pflege und Commitment, damit langfristig Vertrauen entsteht. Und wenn sie auf diese Anforderung nicht mit einem maßgeschneiderten Marketing reagieren, sind sie mittelfristig nicht wirklich erfolgreich.
Doch der Aufwand für die Markenbildung lohnt sich:Klientenbeziehungen, die ein Leben lang halten, New-Business-Potenzial und nicht zuletzt elementarer Bestandteil um im „War for talents“ zu bestehen.
CONSULTING.de: In der Vergangenheit haben Consultants gerne Studien veröffentlicht, um auf sich aufmerksam zu machen. Ist das immer noch das Mittel der Wahl?
Susanne Mathony: Ein ganz klares Ja. Als Teil eines Marketing-Mix. Wie können Beratungen ihren Klienten besser Mehrwert, Relevanz und Expertise beweisen?
Nur wenn sie sich als Lotse in unsicheren Zeiten beweisen, bleiben sie mittelfristig wichtig. Es gilt die Deklination: „Content baut Beziehungen auf. Beziehungen beruhen auf Vertrauen. Und Vertrauen treibt die Umsätze„. Schauen Sie sich die Studie von Prof. Fink „Management Consulting 2018“ an. Danach ist „Vordenkertum“ das zweitwichtigste Kriterium für die Beraterwahl. Noch weit vor Methodenkenntnissen oder Preisniveau. Dieses liegt – anders als oft gedacht – an vorletzter Stelle.
Beraterstudien sind weiter „in“ bei Vorständen und Aufsichtsräten.
Nun die schlechte Nachricht: Entscheider lesen nur knapp jede dritte Beraterstudie, die auf ihren Schreibtisch gelangt. Nur jede vierte Studie, die es bis dorthin schafft, beeinflusst tatsächlich Entscheidungen.
CONSULTING.de: Auf was sollte man besonders achten, um dennoch bei Top-Entscheidern Gehör zu finden?
Susanne Mathony: Es geht erstens um „frische Ansätze“, d.h. perspektivische Betrachtung von relevanten Problemen oder Herausforderungen aus wirklich neuen, unterschiedlichen Blickwinkeln.
Zweitens geht es um „Forward thinking“; d.h. Trends frühzeitig erfassen und analysieren.
Und drittens belastbare Daten und deutlich mehr als nur fünfzig Befragte.