Es ist Zeit für den Female Shift im Consulting – Sechs Hebel für mehr Frauen im Cockpit

Die #BeraterBeraterin

Es ist Zeit für den Female Shift im Consulting – Sechs Hebel für mehr Frauen im Cockpit

26. Mai 2020

Susanne Mathony - Femal Shift Consulting

Noch sind Frauen an der Spitze von Beratungshäusern unterrepräsentiert. Als #BeraterBeraterin schreibe ich in meiner Kolumne auf Consulting.de darüber, welche Hebel aufgrund der Corona-Krise als Beschleuniger dienen könnten, um mehr Frauen auf Top-Level zu katapultieren.

Draußen hebt die COVID19-Pandemie die Welt weiter aus den Angeln. Ich sitze drinnen – seit neun Wochen im Home-Office, vermisse die persönliche Klienten-Interaktion – und frage mich: Ist es in Zeiten wie diesen legitim, eine ganze Branche – Beratungsgesellschaften – zu einer Vorreiterrolle für das #nextnormal zu ermutigen? Ich denke, ja.

Nicht nur, weil Professional Services seit mehr als zwei Jahrzehnten meine berufliche Heimat ist, und ich ihr Potential kenne. Sondern weil sie gerade jetzt extrem wichtig sind. Nicht nur durch ihr Thought Leadership und durch ihre Experten, die die Wirtschaft aus der größten Rezession der Nachkriegszeit herausnavigieren helfen, sondern auch als möglicher Karriere-Booster für Frauen. Warum jetzt? Vielleicht, weil wir vor einer Zeitenwende stehen. Vielleicht auch, weil Frauen in der Krise mehr Gegenwind erfahren.

So veröffentlicht Julia Jäkel, CEO von Gruner + Jahr, ihren Namensbeitrag „Zurück in der Männerwelt“ Ende April in der ZEIT und posted diesen parallel auf LinkedIn. Sie schreibt darin u.a.:

„Homeoffice bedeutet für tausende Frauen gerade vor allem home und wenig office. Das ist auch deshalb bitter, weil jetzt Karrieren gemacht werden.“

Ihr Fazit: „Wie das Virus plötzlich unsere Luft klarer macht und den Himmel blauer, so werden auch unsere wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten offenbarer. Wir Frauen sind so viel weniger weit, als wir es dachten.“

Ihr Beitrag hat seither 4.770 Likes und 720 Kommentare generiert. Er trifft offensichtlich einen Nerv – die Angst, dass Frauen überproportional zu Verlierern der Pandemie werden könnten und ihnen der Backflash in die Fünfziger drohe. So kritisiert Barbara Lutz, Erfinderin des ‚Frauen-Karriere-Index‚, die ‚gläserne Decke befände sich in Deutschland auf dem Niveau eines 70er-Jahre-Bungalows‚ und plädiert, dass sich Unternehmenskulturen jetzt von innen heraus verändern müssten.

Der SPIEGEL betitelt das Interview der Grünenchefs Annalena Baerbock und Robert Habeck mit „Die Frauen bleiben mal schön zu Hause, das war doch die Voraussetzung für den Shutdown„.

Noch herrscht in der Beratungswelt keine Gender-Parität

Laut BDU gibt es in Deutschland 18.360 Beratungsunternehmen, die gänzlich ohne Frauen in der Leitungsverantwortung auskommen, und werden nur 2.040 Beratungsunternehmen von einer Frau geleitet. Heruntergebrochen nach Karrierestufen stellen Frauen zwar 43 Prozent der Juniorberater, aber nur 19 Prozent der Leitungsfunktion.

Die Wissenschaftliche Gesellschaft für Management und Beratung (WGMB) geht für die Top-Beratungen sogar nur von 15 Prozent von Frauen auf der allerobersten Ebene aus.

Weder bei McKinsey, noch BCG oder Bain ist bislang eine Frau Global CEO. Bei EY dagegen lenken schon gleich zwei Frauen die Geschicke der Wirtschaftsprüfung: Ute Benzel für DACH und Julie Teigland für EMEAI. Und Accenture hat seit September letzten Jahres Julie Sweet an der Spitze. Das Haus ist der Sieger des diesjährigen „Frauen-Karriere-Index“ mit Hinweis auf vorbildliche Arbeit in den Bereichen Diversity, New Leadership und digitale Transformation.

Jetzt ist die Zeit für die Ära der „Womanomics“

Setzt man sich mit den Folgen von COVID19 für Wirtschaft und Leadership auseinander, ergeben sich sechs potentielle Hebel, um als „Karriere-Accelerator“ für Frauen in Beratungen zu wirken. Sie mögen in Summe Zeit brauchen, manchen zu optimistisch oder utopisch erscheinen, sind aber umsetzbar.

1. Diversität zahlt sich aus

Schon 2018 postulierte McKinsey: „Je diverser, desto erfolgreicher“ und verwies auf eine signifikante Korrelation zwischen Diversität und Profitabilität. Besonders groß sei dieser Zusammenhang beim Frauenanteil im Topmanagement. Unternehmen, die hier besonders gut abschnitten, hätten eine 21 Prozent größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich erfolgreich zu sein.
Ähnlich Relevantes belegte BCG in „How Diverse Leadership Teams Boost Innovation„: Unternehmen mit einer überdurchschnittlichen Diversität in ihren Managementteams verzeichneten Innovationsgetriebene Umsätze, die 19 Prozentpunkte höher waren als die von Unternehmen mit unterdurchschnittlicher Führungsdiversität; sprich 45 Prozent des Gesamtumsatzes gegenüber nur 26 Prozent.
Wenn also gilt: Diversity schafft mehr Umsatz und mehr Innovation, kann es für Beratungen nur folgerichtig heißen „Walk the talk!“

2. Klientenwünschen entsprechen

Eine Befragung von Source Global nach der Relevanz von Gender-balancierten Teams war eindeutig: Das sei für 72% der Klienten auf C-Level für die Beauftragung von Consultants entscheidend. Nur 5% hielten dieses für unwichtig. Die vor COVID19 geltenden Argumente für mehr Frauen in Beratungsteam werden nun noch stärker zum Tragen kommen. So haben Studien beispielsweise belegt, dass Teams mit einem höheren Frauenanteil bessere Lösungen sowohl für Klienten als auch für Endkunden der Unternehmen liefern. So gelten Frauen als effektivere Coaches in Transformationsphasen und werden als reflektierter wahrgenommen, um das große Ganze zu betrachten und längerfristig zu denken.

All das wird ‚after Corona‘ stärker gebraucht denn je.

3. Höhere Flexibilität der Arbeitsmodelle

Im Lockdown hat die Wirtschaft in Warp-Geschwindigkeit erzwungener Maßen #newwork gelernt und festgestellt: #remotework funktioniert wider aller Befürchtungen. Diese geteilte Lernkurve hilft bei der Flexibilisierung künftiger Arbeitsplatz- und -zeitmodelle. Nicht nur in Beratungen, in denen Mütter (wie Väter) den Balanceakt von Arbeits- und Kinderbetreuungspflichten managen. Sondern auch in Unternehmen hat es die Wahrnehmung verändert: Sie erleb(t)en in der Krise, dass ihre Berater statt in den gewohnten Teamrooms vor Ort aus individuellen Homeoffices erfolgreich agieren können.

4. Ökosysteme, Netzwerken und Teamwork als Organisationsparadigma

Die globale Disruption durch COVID19 stellt traditionelle Organisationsstrukturen in Frage. Linienorganisationen und Silos scheinen an einigen Stellen nicht mehr zu funktionieren. Das neue Paradigma lautet: Empowerment, Geschwindigkeit und Agilität. Letzteres definiert als die Fähigkeit, Strategien, Strukturen, Prozesse, Mitarbeiter und Technologien schnell neu zu konfigurieren, um wertschöpfende und wertschützende Möglichkeiten für den Umbau der Wirtschaft zu schaffen. Frauen in der Beratung werden dieses nicht nur für ihre Klienten forcieren, sondern wünschen sich dieses Female Empowerment auch als interne Selbstverständlichkeit.

5. Digitalisierung jetzt unerlässlich

Wenn sich etwas abzeichnet, dann ist es der Durchbruch der Digitalisierung. Laut BCG ist die „bionic organisation“ mit dem maximal ausgeschöpften Potential der Digitalisierung eine der sieben Ausprägungen des #newnow. Schon jetzt zeigt sich eine verstärkte Nachfrage nach entsprechender Beratungsleistung. Laut Source Global ergibt sich auch hier ein „commercial case“ zugunsten von Frauen. Für 74% der Klienten mit großer Verantwortung für digitale Transformation besitzt Gender Diversity nämlich einen ausgesprochen positiven Effekt. Das Gros sagte sogar, dass gender diverse Teams zu qualitativ besseren Ergebnissen führen.

6. Allgemeiner Wandel sozialer Normen und Rollenbilder

Studien schätzen, dass während des Lockdowns weltweit mehr als 1 Milliarde Kinder keinen Zugang zu Betreuungsformen von Kita über Kindergarten bis zur Schule hatte. Sprich: Nie zuvor gab es so viele Väter, die Kinderbetreuung und Home Schooling übernehmen mussten und müssen. Was den einen als nie erlebte Zusatzbelastung parallel zum Home Office erschien, war für andere eine Bereicherung. Diese Erfahrung hat das Potential, alte soziale Normen zu erodieren und zu mehr Gleichberechtigung zu führen. Durch die höhere Unterstützung von Männern nivelliert sich eine der größten Hürden für Frauen, die eine besonders zeitintensive Partnerposition anstreben.

Fazit:

Beratungsunternehmen werden gesellschaftliche Normen nicht alleine ändern können. Aber es gibt Maßnahmen, die sie ergreifen können, um die Karrieren von Frauen in der Post-COVID19-Ära noch stärker als in der Vergangenheit zu pushen. Wie schreibt McKinsey: „Stop seeing the return as a destination. Start imagining the business as it should be in the next normal„.

Frauen werden dieses einfordern.

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