Die Macht des Human Factor im Consulting

Die #BeraterBeraterin

Die Macht des Human Factor im Consulting

10. November 2021

Letzte Woche haben meine geschÀtzten Ex-Kollegen Rolf Fricker und Tobias Handschuh eindrucksvoll bewiesen: Beratung ist ein People Business.
Und: Menschen folgen Menschen – im Business wie auf Social Media.

Die zwei Partner von EY-Parthenon verstĂ€rken seit Anfang November die Health & Life Sciences Practice von Oliver Wyman. Zuvor waren bereits fĂŒnf Partner inklusive des frĂŒheren CEO Joachim Rotering von Strategy& hierin gewechselt.

Dr. Kai Bender, verantwortlicher Partner fĂŒr Deutschland sowie Österreich, kommentierte diese Expansion mit den Worten: „Oliver Wyman ist der große Gewinner der Konsolidierung des Beratungsmarkts, ein gefragter Arbeitgeber und auf einem ambitionierten Wachstumskurs.“

FĂŒr mich als Marketer besonders spannend: Der Blick auf die flankierende Kommunikation. Und: Was lĂ€sst sich daraus fĂŒr Positionierungsstrategien inklusive des Potentials von Corporate Influencern lernen?

Was ist wichtiger fĂŒr eine Berater-Positionierung: Marke, Menschen, Services?

Werde ich gefragt:

  • Was ist das Erfolgsgeheimnis fĂŒr wirksames Professional Services-Marketing?
  • Fokussiert man auf eine starke Marke, spezifische Services oder auf die einzelnen Menschen?

frustriert meine trockene Antwort nach 24 Jahren in der Branche manche:

Es gibt keinen „one size fit all“-Marketingmix fĂŒr Beratungsunternehmen – schon deshalb, weil Beratungsmarken unterschiedliche Reifegrade aufweisen!

Was alle Marken gleichwelchen Reifegrades benötigen, ist die saubere Positionierung. Warum? Weil 47% der Berater die Marktwahrnehmung ihrer eigenen Beratung nur als ‚mittelmĂ€ĂŸig‘ bewerten. Und: Jedem zweiten KĂ€ufer von Beratungsleistungen fĂ€llt es schwer, den richtigen Unternehmensberater zu finden, weil eine eindeutige Differenzierung zwischen den BeratungshĂ€usern fehlt oder nicht erkennbar ist.

Dabei ist eine messerscharfe Positionierung Gold/Geld wert. Denn: Durch eine differenzierte Marke können Consulting-Player 20% mehr Umsatz generieren. Bei konsequenter Umsetzung sogar bis zu 40%.

Eva Manger-Wiemann (Cardea AG) und Susane Mathony (Mathony Brand Strategists)
Eva Manger-Wiemann (Cardea AG) und Susane Mathony (Mathony Brand Strategists)

So brutal #BeDifferentOrDie klingen mag: Es entscheidet ĂŒber Wachstum oder Marktanteilsverluste. In diesem KrĂ€ftespiel der Differenzierung werden die Menschen – also der Human Factor – immer entscheidender.

Corporate Influencer spielen auch im Professional Services zunehmend eine Rolle

Ikea hat sie, Otto hat sie, die Deutsche Telekom sowieso. Die Rede ist von Corporate Influencer-Programmen. Schon 2019 setzten 49% der deutschen Unternehmen auf Corporate Influencer, so der „Trendreport“ von News Aktuell. Meine SchĂ€tzung ist: Die Pandemie hat Markenbotschafter-Strategien einen weiteren massiven Schub verliehen. Heute haben dieses vermutlich Dreiviertel aller Unternehmen.

Corporate Influencer wie Stephanie Tönjes und Pawel Dillinger (beide Deutsche Telekom), Magdalena Rogl (Microsoft) oder Anna-Lena MĂŒller (jetzt Siemens) kennt mittlerweile jeder. Warum sie bezahlten klassischen Influencern so hoch ĂŒberlegen sind? Durch ihre GlaubwĂŒrdigkeit. WĂ€hrend laut „Mindline Media“ nur noch 7% der Deutschen (bezahlten) Influencern vertrauen, ist dies bei eigenen Mitarbeitern ganz anders.

Laut „Trust Barometer 2021“ vertrauen 54% der Mitarbeiter ihrem eigenen Arbeitgeber als glaubwĂŒrdige Quelle. Dieses ganz besondere Vertrauensmomentum nach/in der letzten Phase der Pandemie gilt es, weiter auszubauen. Kompetenz, Ethik und Werte mĂŒssen gleichermaßen zusammenkommen.

Gerade fĂŒr Strategieberatungen, WirtschaftsprĂŒfungsgesellschaften oder AnwaltssozietĂ€ten ist dieses Vertrauen entscheidend. Denn ihre Offerings und Services funktionieren nach komplett anderen Gesetzen als solche fĂŒr KonsumgĂŒter.

So mag es im Professional Services (noch) keinen zweiten Cawa Younosi (SAP) geben, aber unĂŒbersehbar ist: In diese Form der (digitalen) der Vertrauens- und Markenbildung wird seit rund zwei bis drei Jahren massiv investiert.

Drei GrĂŒnde fĂŒr den Trend zum ‚Human Factor‘

1. Human-to-human-Marketing wird immer wichtiger

Es positioniert Beratungen nicht als abstrakte Marke, sondern die Menschen dahinter als ‚Berater of choice‘, denen man vertraut. Sprich: Das VerstĂ€ndnis, Expertise ist noch kein USP, und Services sind letztlich eine austauschbare Commodity, setzt sich mehr und mehr durch.

2. FĂŒr die Digitalisierung gibt es kein Opt-Out

So wie der Trend zur ‚Digital Delivery‘ – also die Verlagerung des Sales- und Pitch-Geschehens vom Physischen ins Digitale – geht, gilt dieses auch fĂŒr das Marketing. So kann kein Berater einzig auf Mailings seiner Thought Leadership als Beziehungspflege und Sales-Funnel bauen. So wĂŒrde er auf den Aufbau seiner #DigitalReputation ebenso verzichten wie auf die potenzierte Reichweite durch Social Media.

3. Differenzierte Corporate Brands bleiben wichtig, aber die Personenmarken wirken stĂ€rker gegen die ‚Great Resignation

„‘Great Attrition’ or ‘Great Attraction’? The choice is yours!” beschreibt McKinsey die Great-Resignation-Gefahr. Besonders im Professional Services zeichnet sich diese Gefahr ab. Gerade weil sich Menschen ein GefĂŒhl der Zughörigkeit zu ihrer ‚Community‘ wĂŒnschen, wird der ‚soziale Kitt‘ und die Anziehungskraft von sichtbaren Leadern höher.
Trivial auf LinkedIn bezogen, bedeutet dieses: Corporate Accounts sind die Pflicht, persönliche Profile die KĂŒr. Denn individuelle Postings erzielen achtfach höhere Interaktionsraten. Menschen folgen eben keinem Logo, sondern Menschen.

Was man aus der New Hire-Kommunikation von Oliver Wyman lernen kann

1. Die smarte Kaskadierung zwischen Social CEO und Beratern

Die These meiner frĂŒheren Kolumne „Der Highlander oder die Musketiere? Was gilt fĂŒr Berater auf LinkedIn?“ lautete: Um eine Beratungsmarke breit sichtbar zu machen, funktioniert die Highlander-Strategie „Es kann nur einen geben“ nicht. Es bedarf des #SocialCEO und vieler aktiver Berater.
Auf LinkedIn kuratieren diese ihre eigenen Geschichten und machen erlebbar, in welchem Beratungsgebiet sie Experte sind oder welcher Wertekanon sie antreibt. So flankieren sie ‚den einen‘ und erreichen zudem ihre individuellen Klienten und Prospects.

Personal Branding auf LinkedIn

Genau dieses Prinzip hat Oliver Wyman perfekt angewendet. Erst posteten die beiden neuen Life Science-Partner, dann der Deutschland-Chef. Durch die Kaskadierung – Tobias Handschuh am 2/11, Rolf Fricker am 3/11 sowie Dr. Kai Bender am 4/11 – bespielten sie nicht nur den Algorithmus ideal, sondern signalisierten auch die Schwerpunktlegung:
Erst der einzelne, neue Berater, dann die Marke ĂŒber den #SocialCEO.

2. Das unterschĂ€tzte Potential fĂŒr das Employer Branding: die Kommentare auf LinkedIn

Durch den Coup brachten es die Drei gemeinsam auf rund 800 Likes und 150 Comments – und das aus einem sehr breiten Kreis: Ex-Kollegen aus der Booz-Zeit, neue Oliver Wyman-Kollegen und Klienten. Wenn man den Mitteleinsatz mit den frĂŒher ĂŒblichen Viertelseiten-Partner Promotion-Anzeigen in FAZ und Handelsblatt vergleicht, muss man lĂ€cheln. Das eine kostete 20.000€ und mehr. Die moderne Form der digitalen Positionierung hingegen nur rund drei Stunden.

Der Blick in die LinkedIn-Kommentare der Posts zeigt: Hier liegt enormes Potential fĂŒr das Employer Branding. Statt teure Anzeigen zu schalten mit abstrakten iStock-Models, sind hier „Echt-Menschen“ sichtbar. Niemand muss sich mehr aus abstrakten Versprechungen in Assessment-Centern ableiten, wie die kĂŒnftige Zusammenarbeit in der Beratung wohl wĂ€re. Er/sie kann lesen, wie sich Kollegen und Ex-Kollegen ĂŒber die neuen Life Science-Partner Ă€ußern, und welche ‚Musketier-Verbindung‘ offensichtlich besteht. Da heuert man nicht irgendwo an, sondern bei eben diesen Menschen, an deren Erfolgsgeschichte man teilhaben möchte.

Deshalb macht es absolut Sinn, wenn Dr. Kai Bender offen um weitere neue Mitarbeiter wirbt:
„Wer Teil von dieser Erfolgsstory werden möchte, wendet sich vertrauensvoll an unser Recruiting-Team.“

3. Starkes Narrativ und AuthentizitĂ€t als Erfolgsformel fĂŒr die Zukunft

Auch bei der Visualisierung wurde alles richtig gemacht. Hier kommt kein retuschierter Profi-Headshot zum Zug, sondern ganz normale Bilder. Das LĂ€cheln lĂ€sst die beiden so sympathisch wie nahbar herĂŒberkommen. Offensichtlich wurden diese im jeweiligen Office geschossen. Hier sieht man zwar das Oliver Wyman-Logo, aber es dominiert nicht die Aussage des Bildes. Die indirekte Botschaft erinnert eher an Goethes „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!“.

Dass hier ein starkes Narrativ entstehen soll, erkennt jeder spĂ€testens, der die Texte der Drei nebeneinander legt. Es ist kein Zufall, dass die beiden neuen Partnerkollegen die Formulierung ‚growth story‘ und der Deutschlandchef das Wort ‚Wachstumskurs‘ wĂ€hlen.

Wenn es gelingt, diese Mischung aus Narrativ und AuthentizitĂ€t in kĂŒnftigen Posts zu leben, werden sie erfolgreiche Corporate Influencer fĂŒr ihre Health & Life Sciences Practice. Es bleibt spannend.


Autorin: Susanne Mathony

Susanne Mathony
Susanne Mathony

Die Positionierung von Marken und Menschen sind meine Leidenschaft. Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebe ich mit CEO-Positionierung, strategischer Marketing- und Kommunikationsberatung, PR und Business Storytelling meine Berufung aus.
Hinzugekommen ist 2014 die Social Media-Beratung. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem #SocialCEO sowie dem Personal Branding und -Positioning von VorstĂ€nden und Teams auf LinkedIn.Meine Heimat ist Professional Services. Auf GSA- und EMEA-Ebene arbeitete ich u.a. fĂŒr AlixPartners, Andersen Consulting (heute Accenture), Strategy& sowie Russell Reynolds Associates.
Als Politologin und ausgebildete Journalistin startete ich meine Karriere in einem Think Tank in Washington D.C..


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