Wird die Mischung aus Rezession und KI zu etwas Toxischem?

Die #BeraterBeraterin

Wird die Mischung aus Rezession und KI zu etwas Toxischem?

25. Mai 2023

Disruptionen verursachen Anspannung.

Oft auch Verunsicherung. Das erlebe ich bei Beratungsklienten, die sich in der Polykrise fragen:
Sind die Entlassungen bei Wettbewerbern Ausreißer? Oder ist es erst die Spitze des Eisbergs?

Wenn sich selbst bei BCG das Umsatzwachstum von 25 % in 2021 auf 11 % in 2022 mehr als halbiert: Wird die Mischung aus Rezession und KI zu etwas Toxischem?

Als Fan von „Anchored Intelligence“ sind Studien meine Pflichtlektüre – so auch die aktuelle von Source: The polycrisis and professional services: Where are we now?”.

Eine der Thesen:

Das Gefühl, dass es sich um eine lang anhaltende Krise handelt, vermiest CXOs die Stimmung. Das senkt die Kauflaune für Beratungsleistungen.

Ein solches Business Sentiment hat Konsequenzen für Unternehmensberatungen und WP-Gesellschaften. Nicht nur für Wachstum und Sales, sondern auch für die Marketers.

Hier die vier zentralen Ergebnisse.

1. 53 % der Entscheidungen, Berater an Bord zu holen, treffen CEOs und CXOs jetzt selbst

Pre-COVID trafen CEOs und CXOs etwa ein Viertel aller Entscheidungen über den Beratereinsatz. Den Rest entschieden Department-Heads sowie die Ebenen eins bis zwei unter Vorstand.
Nun aber fällt mehr als jede zweite Kaufentscheidung (53 %) auf der CXO-Ebene.

Diese Machtverschiebung nach oben ist zum einen die Reaktion darauf, dass sich große Projekte über immer mehr Abteilungen erstrecken. Zum anderen zeigt es die zentrale Rolle, die Berater spielen.

Trusted Advisors auf Augenhöhe sind gefragt.

Was leitet sich für Marketing & Kommunikation daraus ab?

Wer nicht redet, wird nicht gehört“, meinte Helmut Schmidt. Das gilt auch für Berater, die von ihrer senioren Zielgruppe gehört, gesehen und gekauft werden wollen.

Aber: Seit der Pandemie ist die Sichtbarkeit massiv erodiert. Selbst von exzellent positionierten, Top-Beratungsmarken ist die Sichtbarkeit von 23,1 % im Jahr 2020 auf 14,6 % im Jahr 2022 gefallen.

Daher lautet die Frage für Marketing- und Vertriebsstrategen:

  • Wissen wirklich alle potenziellen Klienten, wer wir sind, und was unser USP ist?
  • Spielen wir im Relevant Set, wenn sie nach einer bestimmten Expertise suchen?

Der Pain Point: Die Korrelation zwischen Relevanz und Sichtbarkeit

Berater und Wirtschaftsprüfer, die als relevant eingeschätzt werden, genießen üblicherweise eine hohe Sichtbarkeit. Doch inmitten des medialen Rauschens wird nur derjenige wahrgenommen, der wirklich etwas zu sagen hat. Das erfordert mehr als Mainstream-Wahrheiten.

Aus dieser Sichtbarkeitskrise kommen nur die, die in all‘ ihre Marketingstrategien und -taktiken ihre wichtigste Buyer Persona – CEOs und CXOs – konsequent im Blick haben. Von Tonalität und Thesen bis zu Intention und Inhalte spielt die Musik auf der Top-Ebene. Dort gehören die Marketingziele verortet.

2. Nur noch 56 % der Unternehmen planen höhere Beratungsbudgets

Laut Source planen 56 % der Unternehmen höhere Beratungsbudgets für die nächsten zwölf Monate. Aber sie beziffern nicht, wieviel „mehr mehr“ ist. Zudem liegt die Kauflust damit deutlich niedriger als in den letzten zwei Jahren.

Wie beschreibt es Bain-CEO Manny Maceda im Handelsblatt „Wir sind als Berater natürlich mehr gefragt, gleichzeitig sitzen die Budgets in Kriegs- und Krisenzeiten nicht so locker.“

Was leitet sich für Marketing und Kommunikation daraus ab?

Leider sind Marketers kein Obi Wan: Sie haben kein Lichtschwert gegen sinkende Beratungsbudgets. Aber sie können für das eigene Haus ein Stück vom Kuchen erkämpfen.

Wichtig sind konkrete Lösungen zum Streitthema „Return on Consulting“ (ROC). Aktuelle Bücher wie Die Berater-Republik zeigen: Hier liegt weiter ein großes Fragezeichen. Die Antwort darauf ist maximale Transparenz.

Wie beschreibt es meine #MBS-Partnerin Eva Manger-Wiemann der Metaberatung Cardea „Vertrauen auf Augenhöhe schafft man mit nachhaltiger und nachgewiesener Kompetenz und Referenzen, die einen Anstieg des ROC ‚beweisen‘. Dies muss durch Marketing und Positioning deutlich werden.“

Je klarer der Beleg des eigenen Added value – egal ob mit Case Studies oder Aussagen in den Leitmedien – umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, im Relevant Set zu bleiben. Wer sich als Lösungsgarant spitz und glaubhaft positioniert, hat weiter gute Marktchancen.
Messerscharfer Fokus kombiniert mit meinem Mantra „Speed, Speed, Speed!“ bleibt auch in der Polykrise das „Live-or-Die“-Kriterium.

3. Für jedes fünfte Unternehmen ist ein ehrgeiziger Vorstand ein zentraler Faktor für die Beraterbeauftragung

Ambitionierte Unternehmen nehmen weitaus häufiger Beratungsleistungen in Anspruch als solche, deren Ziele unverändert geblieben sind. Für wachstumshungrige Consultants ist das eine Steilvorlage.

Aber laut Source gibt es einen Haken:
In Q1/2023 beklagten nur 3 % der Unternehmen, es fehle an einem effektiven Vorstandsteam. Nur drei Monate später zeigt sich ein Sprung um 19%punkte. Aktuell beklagt knapp jedes vierte Unternehmen (22 %): Unser Vorstand reagiert zu langsam auf die Polykrise.

An einer Verschlechterung der eigenen wirtschaftlichen Lage liegt es offensichtlich nicht. Denn als negativ betroffen bezeichnen sich nur noch 40 % der Unternehmen. Der Höchststand lag bei 60 % in Q4/2022.

Was leitet sich für Marketing und Kommunikation daraus ab?

Zwar können Marketers nichts an den Führungsfähigkeiten ihrer Klienten und Prospects tun. Aber sie können zu deren Empowerment beitragen. Schließlich schätzen CEOs und CXOs den wertvollen externen Blick der Berater. Hausintern haben sie nur begrenzte Möglichkeiten, ungeschminkt zu diskutieren.

Daher sollten 1:1-Gespräche und vertrauliche Fireside Chats massiv hochgefahren werden. Wer den persönlichen Austausch mit Vorständen forciert und wieder intensiv reist, ist im Vorteil.

Starker Content als Backstage-Pass zur frühen Priorisierungs-Phase bleibt im Kaufprozess wichtig.

Investments in starken Content beweisen auch in der Polykrise ihren ROI. Denn: 48% der Entscheider haben einen Auftrag erteilt bzw. 53% das Auftragsvolumen erhöht, wenn sie das Thought Leadership überzeugte. Um nachvollziehen, warum 55 % der CEOs so schnell Studien weglegen, bietet sich meine Kolumne „Thought Leadership für Berater: Sie haben 60 Sekunden Zeit!“ an.

Thought Leadership: Jeder 3. CEO bewertet Beraterstudien als ‚medioker‘, ‚schlecht‘ oder sogar ‚sehr schlecht‘.
Sie wollen Ihr Studien-Marketing optimieren? Lesen Sie hier, wie wir Sie unterstützen können:
https://mathony-brand-strategists.com/brand-strategy-advisory/thought-leadership/

Last but not least: Marketers sollten die Regeln des Powerplays beherzigen. Schließlich setzen Vorstände Berater auch dazu ein, eigene Machtansprüche oder große Change-Prozesse durchzusetzen. Mit dem Gütesiegel starker Beratungsmarken erhalten Projekte eine gesteigerte Legitimation. Zudem erhöht es die Erfolgswahrscheinlichkeit der Implementierung.

4. Das Trust-Dilemma: Nur 80 % der Unternehmen vertrauen der wirtschaftlichen Lage

Bei rund 80 % der Unternehmen stagniert das Vertrauen. Der Grund? Das Gefühl: Die Polykrise ist gekommen ist, um zu bleiben. Aktuell gehen laut Source 67 % der Unternehmen davon aus, dass die Krise länger als drei Jahre dauert. In Q1 dachten das nur 56 %.

Der komplexe „Mehrfrontenkrieg“ belastet. In der Pandemie und in der Frühphase des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine war der Fokus verhältnismäßig klar. Noch in Q1/2023 herrschte in Unternehmen ein breiter Konsens über die Schwerpunkte der Investitionen:

  • Verbesserung der Produktivität
  • digitale Transformation
  • effektiveres Risikomanagement.

In Q2/2023 haben sich die Prioritäten egalisiert.

Was leitet sich für Marketing und Kommunikation daraus ab?

Marketers sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert: CXOs, die mehr jeden zweiten Beratereinsatz verantworten, sind offensichtlich unsicher über ihre Prioritäten. Unsicherheit aber senkt die Kauflaune.

Daher sollten sich Professional Services-Player als starker „Nordstern“ positionieren.

Ausschließlich makroökonomische Rahmenbedingungen zu beschreiben, langt nicht. Die kennen Unternehmen selbst nur zu gut. Gefragt sind spot-on Analysen, etwa hochaktuelle, zahlengetriebene Whitepaper mit einem Vorlauf weniger Wochen. Meinung und Haltung sind vonnöten. Denn nur die Berater werden jetzt gekauft, die Klarheit und Sicherheit versprechen.

Wer die Fokus-Frage „Welches spezifische Problem löse ich für genau welche Zielgruppe, und wie genau machen wir das?“ präzise – und von der gesamten Partnerschaft unisono gepitched – beantwortet, hat im Trust-Dilemma ein As im Ärmel.

Fazit: „Zur Agilität gehört auch, abspringen zu können“

Das sagt der Bain-CEO zu Tanja Kewes im Interview. Es ist die passende Ableitung aus der Source-Studie. Ein Aussitzen der Polykrise mit „same same“-Strategien ist unmöglich. Weder für Berater, noch ihre Marketers. Wer „Nordstern“ sein und beauftragt werden will, muss mit innovativen Sichtbarkeitsstrategien aus der Deckung.

Denn Sie wissen ja:

Eva Manger-Wiemann (Cardea AG) und Susane Mathony (Mathony Brand Strategists)
Mit einer differenzierten Positionierung und einer starken Marke können Consulting-Player 20% mehr Umsatz generieren.“


Autorin: Susanne Mathony

Susanne Mathony
Susanne Mathony

Die Positionierung von Marken und Menschen sind meine Leidenschaft. Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebe ich mit CEO-Positionierung, strategischer Marketing- und Kommunikationsberatung, PR und Business Storytelling meine Berufung aus.
Hinzugekommen ist 2014 die Social Media-Beratung. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem #SocialCEO sowie dem Personal Branding und -Positioning von Vorständen und Teams auf LinkedIn.Meine Heimat ist Professional Services. Auf GSA- und EMEA-Ebene arbeitete ich u.a. für AlixPartners, Andersen Consulting (heute Accenture), Strategy& sowie Russell Reynolds Associates.
Als Politologin und ausgebildete Journalistin startete ich meine Karriere in einem Think Tank in Washington D.C..


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