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Die sieben Sünden der PR – und wie man sie garantiert umgeht
14. Juni 2024
Jeder wünscht sie sich: Erfolgreiche Pressearbeit! Hier finden Sie konkrete Tipps, wie Sie dabei sieben PR-Sünden vermeiden
Manchmal hinterlässt man verbrannte Erde. Und weiß es nicht einmal.
Etwa wer stoisch Presse-Informationen hinterhertelefoniert.
Oder einer Handelsblatt-Redakteurin ungefragt einen fertigen Namensbeitrag zusendet. Und sich dann wundert, dass dieser Beitrag nie erscheint – obwohl man doch so viel Zeit investiert hat.
Das sind nur zwei kleine Beispiele aus dem Redaktionsalltag. Manche bezeichnen das gar als „Dantes Inferno der Unwissenden„.
Was meinen Redakteure mit „Sätzen aus der PR-Hölle“?
Dass ihr Gegenüber nicht wirklich mit den geschriebenen – und ungeschriebenen – Gesetzen professioneller Pressearbeit vertraut ist.
Hier finden Sie die sieben Sünden der PR – und wie man diese besser vermeidet.
1. Nur “Mann beißt Hund“ ist eine Nachricht
Es klingt trivial, entscheidet aber über Ihren Erfolg:
Suchen Sie immer zuallererst nach der Nachricht!
Ganz egal, ob es sich um eine Presse-Information, eine Studie oder einen Gastbeitrag handelt. Es gibt einen Grund, warum es Thought Leadership heißt – nicht Thought Following.
Redaktionen im Dauerstress überzeugen Sie nicht durch Me Too-Grundrauschen á la „Hund beißt Mann“ bzw. „Deutschland muss sich digitalisieren„.
Es bedarf der pointierten, zahlengestützten Aussagen mit echtem Neuigkeitswert und spezifischen Ableitungen für die Zukunft.
Wenn Sie nicht wissen, ob Sie bereits eine starke Story haben, machen Sie den „Header-Test„.
Fragen Sie sich – idealerweise bevor Sie mit dem Schreiben starten:
„Würde diese Überschrift so in der WirtschaftsWoche oder der Börsen-Zeitung stehen?“
Und:
Ist Ihr Thema wirklich neu oder haben andere Marktplayer es in den letzten drei Monaten bereits umfangreich bearbeitet?
Dann ist das Pferd, was Sie reiten wollten, vielleicht leider schon verstorben.
2. Ohne Warm-up ab schießt auch ein Profi-Fußballer wie Ilkay Gündoğan kein Tor
Es steht ein Studien-Launch an oder die Wachstumsstrategie soll kommuniziert werden.
Aber der Deutschlandchef oder der Practice-Verantwortliche geht unvorbereitet ins Interview. Am besten aus dem Auto, gestresst nur fünf Minuten nach einem Klienten-Meeting.
Trifft er oder sie dann auf einen Profi, geht die Geschichte ins Auge.
Wer sich vorab nicht ausreichend Zeit nimmt, Storyline und Kernbotschaften mit dem Presse-Team abzustimmen und diese gegebenenfalls mit Partner-Kollegen zu diskutieren, führt gegebenenfalls einfach nur ein ‚nettes Gespräch‘.
Coverage entsteht so nicht, denn: Schnellschüsse liefern selten druckreife Zitate.
Die aber braucht der Redakteur, der einen sonst von seiner Kontaktliste streicht. Regelmäßige – also mindestens einmal pro Jahr – professionelle Medientrainings sind sinnvolle Investments.
So bringen Sie charmant Ihre Botschaften auf den Punkt und erzielen mehr als die bloße Erwähnung im großen Branchenbericht.
3. Warum Greta Garbo nicht Ihr Idol für die Pressearbeit sein sollte
Greta Garbo – die Nr. 5 der 25 größten weiblichen Leinwandlegenden aller Zeiten – gab in ihrer gesamten Karriere nur 14 Interviews.
Einer der berühmtesten Sätze der Garbo lautet:
„I want to be alone.“
Das erlebe ich bei 70% der Partner/Senior-Partner/frischgewählten CEOs, auf die ich zu Beginn einer Zusammenarbeit treffe. Was bei Greta Garbo noch als mythische Aura funktionierte, ist in der modernen Pressearbeit tabu.
Wer durch Top-PR sichtbar werden möchte, kann sich nicht hinter Presseabteilungen verschanzen.
Seien Sie offen. Bauen Sie mit den für Sie wichtigsten Journalisten einen direkten Draht auf. Bleiben Sie in Kontakt. Stehen Sie unprätentiös für Hintergrundgespräche zur Verfügung. Machen Sie Ihre Handynummer nicht zum Staatsgeheimnis. Wenn Sie wissen, was Sie tun, muss auch nicht bei jedem Gespräch ein ‚Aufpasser‘ aus der Presseabteilung dazugeschaltet sein.
Und last but not least: Handeln Sie einfach wie ein ’normaler‘ Mensch.
Der Global CEO, dessen Interviews ich über viele Jahre beim WEF in Davos hostete, hatte auch deshalb einen höheren Share of Voice als seine Wettbewerber, weil er einmal Erzähltes inklusive Name und Anzahl der Kinder des Redakteurs stets parat hatte.
4. Kennen Sie den Knigge der Public Relations!?
Als ich mein Handwerk von der Grand Dame der PR in Frankfurt lernte, wurde noch ‚nachtelefoniert‚.
Was habe ich es gehasst! Für meine Key Accounts Deutsche Bahn, VISA und Patek Philippe zum Hörer zu greifen, um Redakteure mit den Fragen zu belästigen:
- Haben Sie meine Presse-Information erhalten?
- Wissen Sie schon, ob Sie diese veröffentlichen?
Anfang der Zweitausender wurde das Nachtelefonieren – God thx – zum No-Go.
Wirtschaftsredaktionen erhalten bis zu 300 Presse-Informationen. Pro Tag! Wenn die entsprechenden 300 PR-Verantwortlichen – sei es in-house oder von einer PR-Agentur – alle den gleichen Redakteur mit derselben Frage anrufen, könnte dieser nie eine einzige Zeile veröffentlichen.
Dennoch berichten mir Redakteure von Leitmedien, dass sie weiter diesen Faux Pas erleben.
Bitte nicht!
Entweder Ihr Thema ist klasse, passt in die Zeit, und es gibt Platz zur Veröffentlichung – oder leider nicht…
Was der Knigge in der Public Relations sonst noch rät?
- Nie vor oder während der morgendlichen Redaktionskonferenzen anrufen.
- Nie ungefragt vollständig ausformulierte Namensbeiträge einsenden.
- Nie die Chefredaktion auf den Verteiler einer Presse-Information setzen.
- Nie damit winken, dass man doch großer Anzeigenkunde sei.
- Und vieles mehr…
5. Presse-Coverage entsteht nicht ohne Meinung und Haltung – egal wie hoch Ihr PR-Agentur-Retainer ist
Im Englischen gibt es das Sprachbild „Einen Pudding an die Wand nageln„.
Das beschreibt perfekt den Versuch, aussagenfreie PR-Inhalte zu lancieren. Alle Professional Services-Player wollen Kernthemen wie Transformation oder Digitalisierung besetzen.
Aber Themen werden erst durch drei Kriterien zur Story:
- Neuigkeitswert (siehe Sünde #1)
- Evidenz – Ohne aussagekräftige Datensätze ist alles nichts
- Meinungsstärke.
Seien Sie „bold & unafraid„. Trauen Sie sich zu gegen den Strich gebürsteten Thesen. Nehmen Sie eine klare Haltung ein. Wagen Sie Prognosen und geben in Zitaten nicht nur die Kernzahl Ihrer Studie als ausformulierten Satz wieder.
Sie sind der Experte und die Expertin, der/die den Markt lange kennt.
Wer, wenn nicht Sie, kann und sollte sich also eine Meinung leisten?
Nur diese möchte ein Redakteur hören – und das idealerweise Schachtelsatz-frei.
6. „Am Ende des Tages“ und Denglish bringt einen nicht in die FAZ
Ein neuer Klient – der HR-Chef einer großen Kanzlei – hielt mir den Spiegel vor: Meine Slides zeigten unschönes Denglisch.
Erwischt!
Trotz meiner Liebe zur Sprache als ausgebildete Journalistin komme ich nicht immer um die „déformation professionnelle“ herum.
So fühle ich mit jedem, der unbewusst Fachbegriffe und Acronyme verwendet. Die SZ beschreibt das als „beruflich bedingte Missbildung„.
In Pressetexten – wie auf LinkedIn – hat diese „Missbildung“ nichts zu suchen.
Auch Floskeln, Sprechblasen, glattgebügelte Marketingbotschaften oder ChatGPT-Superlative wie „einzigartig“ lassen Wirtschaftsredaktionen von FAZ und Handelsblatt erschauern.
Denken Sie journalistisch und stets an Ihre Leser. Die interessieren sich nicht dafür, was sich hinter dem Fachchinesisch BTO, SCM oder FSI verbirgt.
7. Viele Köche verderben in der Pressearbeit den Brei
Seit 1997 schreibe und redigiere ich Texte. So sehr sich Themen und Aufhänger geändert haben, so gilt ein ehernes Gesetz weiter.
Nämlich:
Je mehr Menschen an einem Text schreiben, umso schlechter wird dieser.
Ich habe schon Texte von 2,5 DIN A4-Seiten erlebt, die 25 Abstimmungsschleifen drehten. Aber das geht auch wunderbar in vier bis fünf Runden.
Was hilft?
Eine klare Verteilung von Rollen und Verantwortlichkeiten. In der Michelin Sterne-Küche grillt der Pâtissier auch nicht das Chateaubriand oder schmeckt die Sommelière nicht den Jus ab.
Für Pressetexte gilt:
Profis schreiben – und Berater, Wirtschaftsprüfer oder Anwälte sorgen für die inhaltliche Richtigkeit und bringen Authentizität in ihre Zitate. Adjektive austauschen im Stundentakt hat noch niemanden auf die erste Seite des Wirtschaftsteils gebracht.
Fazit
Nach 24 Jahren in dem Metier kann ich Sie nur bedingt von Sünden freisprechen, Sie aber gerne bei Ihrer Pressearbeit unterstützen, sodass Sie diese Sünden gar nicht erst begehen.
Autorin: Susanne Mathony
Die Positionierung von Marken und Menschen sind meine Leidenschaft. Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebe ich mit CEO-Positionierung, strategischer Marketing- und Kommunikationsberatung, PR und Business Storytelling meine Berufung aus.
Hinzugekommen ist 2014 die Social Media-Beratung. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem #SocialCEO sowie dem Personal Branding und -Positioning von Vorständen und Teams auf LinkedIn.Meine Heimat ist Professional Services. Auf GSA- und EMEA-Ebene arbeitete ich u.a. für AlixPartners, Andersen Consulting (heute Accenture), Strategy& sowie Russell Reynolds Associates.
Als Politologin und ausgebildete Journalistin startete ich meine Karriere in einem Think Tank in Washington D.C..