Die #BeraterBeraterin
Winning the Battle, Losing the War – Warum die Kürzung des Marketingbudgets keine gute Lösung ist
15. Mai 2024
In der Krise steht die Kürzung des Marketingbudgets meist oben auf der Tagesordnung.
In meiner Kolumne erkläre ich, warum diese Strategie gefährlich ist, und warum man mit einer erfolgreichen Schlacht noch lange nicht den Krieg gewinnt.
Erinnerungen an 2008
Denke ich an Herbst/Winter 2008, erinnere ich mich, dass zuerst die Obstkörbe in der Strategieberatung, für die ich damals als Head of EMEA-Marketing arbeitete, verschwanden. Plötzlich gab es die klassische Bahlsen-Konferenzmischung ausschließlich für Klienten. In der nächsten Phase begrüßte mich morgens nur noch eine Rezeptionistin statt zwei.
Und schließlich traf es ‚mein‘ Marketing-Budget.
Erst der Budget Freeze – dann der Budget Cut. Erst in kleinem Umfang – dann martialisch. So war es nach der Lehman-Pleite 2008.
Wie es in der COVID19-Pandemie und nun in der Rezession aussieht?
An manchen Stellen erlebe ich in der Polykrise samt Rezession ein Déja vu. Einige Beratungen vollzogen bzw. vollziehen erneut eine Vollbremsung in ihren Marketing-Budgets.
Andere scheinen aus der Finanzkrise 2008 gelernt zu haben.
Etwa, dass der Stopp des Recruiting-Marketing einen heftigen ‚Cold Turkey‘ beschert, wenn man neue Berater einstellen möchte, sobald der Markt wieder anzieht.
Oder dass die eigene Brand Awareness sinkt, und man deshalb beim nächsten Pitch nicht länger im ‚Relevant Set‘ der Entscheider ist.
Oder, dass sich vertrauensvolle Beziehungen zu Journalisten in Leitmedien nicht an- und ausknipsen lassen wie eine Glühbirne.
Zyklisches oder antizyklisches Marketing in Krisen?
Die Gretchenfrage lautet: Sollten Beratungen in Krisen ihr Marketing-Budgets erst zuallerletzt streichen, wenn überhaupt? Es wäre die bullische Entscheidung für antizyklisches Investieren in die Zukunft der Marke. Und der Beleg, dass man Peter Drucker verstanden hat:
„Marketing and innovation make money, all the rest is cost“.
Warum also nicht stattdessen radikal neue Flächennutzungspläne für die Büros in 1A-Locations erstellen und auf ein Hotel-Konzept umstellen, um nachhaltige Kostensenkungen zu erzielen? Schließlich haben die Consultants in der Pandemie hervorragend remote gearbeitet.
Wer also in Krisen die Marketingbudgets kürzt, tut das zu einem Zeitpunkt, an dem Unternehmen Berater stärker denn je bräuchten und mit ihrem ‚consultant of choice‘ eng in Kontakt bleiben möchten.
Man könnte eine kleine (finanzielle) Schlacht gewinnen, ja, aber ggfls. den Krieg verlieren.
Stets leidet die Markenbekanntheit bei substantiellen Budget-Cuts, ebenso der Markenwert.
Darunter wiederum leidet eventuell der Unternehmenswert mit negativen Konsequenzen für den Umsatz.
Entscheidende Kosten werden einfach in die Zukunft verschoben, beschrieb es BCG einmal treffend.
Ein Lesetipp in diesem Kontext ist die Analyse von McKinsey aus dem Sommer 2023:
„Beyond belt-tightening: How marketing can drive resiliency during uncertain times“.
Was also sollten Marketeer mit ihren Marketingbudgets tun?
Die Corona-Pandemie hat das Entscheidungsverhalten von Klienten und deren Loyalität nachhaltig beeinflusst. Agile Marketingpraktiken – die sich in der Regel auf Performance Marketing konzentrieren – sind auf die Markenbildung anzuwenden.
Marketeers sollten schnell, pragmatisch agieren, und gleichzeitig Mittelfrist-Strategien für die Rezession entwickeln.
Fünf Hebel, um den Kampf um Brand Awareness zu gewinnen
1. Taskforce zusammenstellen
Spezialisierte Teams sollten eine Kostenoptimierungsstrategie entwickeln, welche die sich ändernden Anforderungen und Auswirkungen der Polykrise in den unterschiedlichsten Szenarien abbildet.
Diese Taskforce muss kurzfristig Entscheidungen treffen dürfen, um das Haus für den langfristigen Erfolg zu positionieren. Innenpolitik darf dabei keine Rolle spielen.
2. Marketing-Mix adjustieren
Einem ‚Activist Investor‘ gleich sollten Marketeers ihre Ausgaben aggressiv anpassen. Es gilt, die Performance kontinuierlich verfolgen, um Budgets ggfls. schnell in neue Marketingkanäle zu lenken, etwa in weniger Kosten-intensive Podcasts, Webinare oder Social Media.
3. Marke anpassen oder gar neu ausrichten
Ziel ist, den Kontakt mit den Klienten zu intensivieren und – besonders jetzt – für sie relevant zu bleiben. Wertversprechen und Narrative sollten die aktuellen Herausforderungen reflektieren. Nach der Krise werden sich Klienten besonders an die Marken erinnern, die ihr Verhalten entsprechend angepasst haben.
4. Agiles “all-in“ beweisen
Agiles Marketing hat zweiwöchige Sprints als Standardarbeitsgeschwindigkeit definiert. Das aber ist aktuell vermutlich zu langsam. Erfolgreiche Marketer passen ihre Abläufe so an, um On-Message-Kampagnen innerhalb weniger Tage – wenn nicht Stunden – zu liefern.
5. Services und Mediapläne für morgen entwickeln
Marketeer sind einer Marktdynamik ausgesetzt, in der frühere Annahmen und akzeptierte Wahrheiten partiell nicht mehr zutreffen. Daher ist auch das Leistungsangebot neu zu bewerten. Diese ‚Start-From-Scratch‘-Blick gilt auch für den Medienmix.
Mit drei Schritten der Polykrise voraus sein
Bislang weiß niemand genau, wann oder ob überhaupt die 24/7-Polykrise endet. Niemand weiß exakt: Welche Verhaltensweisen bleiben oder welche Einstellungen ändern sich dauerhaft.
Klar ist nur dreierlei:
- Die Psyche der Verbraucher verändert sich, und das definiert die nächste Normalität.
- CMOs können nicht lange auf ein 100% klares Bild der Zukunft warten, sondern müssen jetzt als Katalysator helfen, die Zukunft neu zu definieren. Dabei hilft ein Portfolio-Ansatz, um neue Marketing-Initiativen zu starten und Ressourcen neu zu allokieren.
- Jede Beratung, die aus Angst ihre Marketingausgaben drastisch senkt, gibt mutigen ‚Anti-Zyklikern‘ die Chance, den eignen Marktanteil zu skalieren und zu maximieren. Wer auch morgen als Premium-Consulting-Brand wahrgenommen werden möchte, kämpft heute um sein Marketingbudget.
Fazit: In jeder Krise lautet die Frage „Sink or swim?“
Die Frage: „Sink or swim?“ gilt mittlerweile eigentlich immer. Wie man in welcher Krise auch immer seine Marketingausgaben managt ist entscheidend. Sparen Sie in der Krise also nicht zulasten der Zukunft, sondern investieren Sie in Klienten-Kommunikation und Marketingeffizienz.
Ein Marketing-Kaltstart im nächsten Aufschwung wäre um ein Vielfaches schwerer und teurer.