Kommunikation unter Druck: Kluge Köpfe brauchen keine Kampfsprache

Die Mindflow-Kolumne von Claas Sandrock, Founder & CEO von Rocketmind

Kommunikation unter Druck: Kluge Köpfe brauchen keine Kampfsprache

28. März 2023

Es ist wohl zu verlockend, in Zeiten, in denen das Martialische wieder seinen Platz in der Sprache bekommt, auch selbst die kulturellen Fesseln fallen zu lassen und sprachlich Druck zu machen. So wie Elon Musk und Mark Zuckerberg, die sich von Tech-Vordenkern zu verbalen Angreifern gegen die eigenen Leute gewandelt haben. Zuckerberg drohte: Wer nicht hart arbeitet, sollte freiwillig das Unternehmen verlassen.

Aber provozierende Sprache schafft in Unternehmen das falsche Bewusstsein. Sie ist Gift für innovatives Denken, weil sie die emotionalen Wege zu positiven Potenzialen verschließt. Denn intelligente Menschen brauchen keine raue Ansprache.

Sie brauchen ein Umfeld, in dem sie mit Gleichgesinnten in den konstruktiven Austausch gehen. Sie brauchen Raum – mental und praktisch –, damit sie für ihren Arbeitgeber noch größere Räume schaffen, noch mehr Mehrwert.
Mit jeder Führungskräftegeneration kann ein Unternehmen wachsen oder schrumpfen.

Wohlgefühl reicht nicht für neue Potenziale

Mit Raum sind nicht die betrieblichen Kaffeeküchen gemeint, die sich zu wahren Barista-Paradiesen ausgeweitet haben. Für echte Potenzialkommunikation reicht Wohlgefühl nicht. Denn bevor Unternehmen hoffen, über eine angenehme Arbeitsatmosphäre an die tieferliegenden Motivationen der Mitarbeiter:innen zu gelangen, müssen sie einen Elefanten aus dem Raum schaffen, den sie selbst dort hineingebracht haben. Über viele Jahre hinweg haben sie den Menschen gezeigt, dass sie kaum oder gar keine Verantwortung für ihre Arbeitsplätze übernehmen wollen. Und je mehr die „Corporate Identity“ beschworen wurde, desto mehr nahm sie ab. Und nun wundert man sich, dass die Mitarbeiterloyalität dahin ist, für immer gegangen. Und jede weitere Entlassung der Rendite zuliebe verbreitert den Graben nur.

Aber so ist es. Die Macher von morgen stellen nun ihren eigenen „Individual Business Case“ auf. Den gibt es selten auf Papier, dafür in ihren Köpfen. Dort geht der innere Dialog mit dem Arbeitgeber ungefähr so: „Du möchtest von mir mehr, als Du mir monatlich aufs Konto überweist? Dann nenne mir gute Gründe dafür, damit ich es später nicht bereue.“

Gute Gründe für den Individual Business Case

In diese Köpfe kommen die Gründe wiederum nur durch gute Kommunikation hinein. Unternehmen sollten sorgfältig auf die Erzählperspektive achten und auf jegliche Management-Parole verzichten. Nach wie vor gehen Unternehmen zwar davon aus, dass alles, was unter ihrem Namen passiert, auch ihrem Einflussbereich unterliegt. Das ist aber bei Weitem nicht so.

Der Kopf der Mitarbeiter:innen gehört ihnen nicht mehr, und dort werden nur folgende Aspekte dem Verantwortungsbereich des Unternehmens zugestanden:

  1. Purpose (anschlussfähig an eigene Werte und Haltung und fundamental wichtig, auch wenn manche Manager es nicht wahrhaben wollen)
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  2. nachweisbare Erfolge
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  3. faktische Erfolgsgründe (die zeigen, ob Erfolg und Attraktivität des Arbeitgebers von Dauer sind)
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  4. Führungskultur (die meisten Menschen kündigen wegen ihrer Chefs, oder wie Angelsachsen sagen: People join companies und leave managers)

Demgegenüber werden als Anrechte der Mitarbeiter:innen folgende Faktoren verstanden:

  1. attraktive Entlohnungsmodelle und Erfolgsbeteiligungen
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  2. individuelle Arbeitszeit- und Arbeitsplatzregelungen
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  3. interessante bestehende Aufgabengebiete
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  4. attraktive neue Aufgabengebiete
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  5. fortschrittliche Arbeitsmethoden (wie offene und innovative Kooperationen mit anderen Unternehmen)
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  6. Eigenverantwortung und Gestaltungsräume.

Das ist der Gegenwert, den Unternehmen für den Mehrwert aufbringen müssen. In der Summe sind dies sehr rationale Gründe. Aber nur so kommt man ans Herz der Manager:innen und Mitarbeiter:innen heran: über den Kopf. Und das nicht mit Krisensprache, sondern mit souveränen, eindeutigen und verbindlichen Ausführungen, die keinen Hype, sondern Vertrauen schaffen.

Positives positiv kommunizieren

Kluge Köpfe sind auch klare Köpfe, die sich rasch dorthin bewegen, wo sie mehr Gestaltungsfreiheit, Anerkennung und Geld erhalten. In dieser Reihenfolge.
Mark Zuckerberg hat den Wechsel vieler schlauer Köpfe zum besseren Arbeitgeber gleich selbst vorgenommen: Die meisten seiner im „Jahr der Effizienz“ geschassten (ersten zehntausend) Leute sind inzwischen bei der Konkurrenz unter Vertrag. Die zweiten zehntausend, die jüngst hinzukamen, werden auch neue Plätze finden.

Wie man erfolgreiche Unternehmensführung positiv übersetzt, zeigt dagegen die Würth-Gruppe. In einem Interview mit der FAZ vom 11. Januar 2023 zeigt Robert Friedmann, Sprecher der Konzernführung, wie Identifikation, Erfolge und Erfolgsfaktoren in klare und schnörkellose Sätze gefügt werden.


Eine Auswahl:
„Industrieansiedlungen werden für Dekaden entschieden. Wenn wir eine neue Fabrik bauen, schauen wir nicht nur auf die aktuelle Situation. Wir investieren weiter am Standort Deutschland.“
„Ich bin sehr optimistisch, dass der Standort Deutschland weiterhin wettbewerbsfähig sein wird.“

Positiv grummeln

Und wer verstehen möchte, in welcher Liga Würth spielt, der erhält die Einordnung: „Wir sind in einer Größenordnung mit Henkel und Adidas.“ Diese beiden Unternehmen machen wie die Würth-Gruppe rund 20 Milliarden Euro Umsatz. Und statt Kriegs- und Inflationsangst zu schüren, sagt Friedmann: „Der Preisdruck wird sich entspannen.“ Dass Deutsche gerne grummeln – auch das sieht der Würth-Chef positiv: „Ich finde es einfacher, positiv überrascht zu werden.“

Ein sehr interessantes Detail ist übrigens: Friedmann gelingt es, die eigenen Erfolge zu beschreiben, ohne dabei einmal das Wort „Effizienz“ zu verwenden. Erstaunlich eigentlich. Denn Effizienz ist im Grunde der Kampfbegriff aller Kampfbegriffe. Er klingt nicht militant, hat aber eine enorme, leise Zerstörungskraft. Es ist das Wort, das wie kein zweites Ernüchterung und Frust auslösen kann (außer bei Investoren und wahrscheinlich nur übertroffen von „Restrukturierung“).

Wie man sogar fast ganz auf Management-Slang verzichten kann, zeigt die Fitness- und Outdoormarke Garmin. Das Unternehmen hat einen leisen aber rasanten Aufstieg unter die fünf größten Uhrenhersteller der Welt hingelegt. Getragen wird das Wachstum von Garmin maßgeblich vom Grundsatz des „Servant Leadership“. Am einfachsten wohl mit „befähigen statt befehlen“ zu übersetzen.